Bewegend das Werk und seine Botschaft, exzellent der Ort des Konzerts, berührend Anlass und Tag der Aufführung: In der Dresdener Frauenkirche wird am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus, das Requiem für Auschwitz mit den Roma und Sinti Philharmonikern und dem Dresdner Universitätschor unter der Musikalischen Leitung von Riccardo M Sahiti aufgeführt. Die Solisten sind Elena Gorshunova (Sopran), Christa Mayer (Alt), Simeon Esper (Tenor) und Sebastian Wartig (Bariton).
Das von dem niederländischen Sinto-Musiker Roger 'Moreno' Rathgeb komponierte Requiem vermittelt Zugänge zu tiefsten Emotionen wie Angst, Einsamkeit, Leid, Hoffnung, Verzweiflung und versteht sich als ein "Mahnmal aus Tönen und Worten" im Gedenken an die Hunderttausenden Sinti und Roma, die in Auschwitz-Birkenau umgebracht wurden. Am 27. Januar 1945 wurden die Überlebenden in dem Vernichtungslager durch die Rote Armee befreit.
Auseinandersetzung mit Klischees und Vorurteilen
Das Konzert in Dresden (27. Januar, 20 Uhr) ist zugleich einer der Höhepunkte des Festivals RomAmoR, das der Kulturveranstalter Hellerau, Europäisches Zentrum der Künste Dresden, als eine Hommage an die seit Jahrhunderten immer wieder diskriminierte Minderheit der Sinti und Roma und ihre Kultur in den Fokus seiner gesamten Spielzeit 2015/16 gerückt hat. "Mit unserem Projekt wollen wir einen substantiellen Beitrag zur Aufarbeitung unserer Geschichte und insbesondere des Holocaust leisten", erläutert Hellerau-Intendant Dieter Jaenicke die zentrale Motivation für ein eigenes Festival dieses Zuschnitts. "Wir bieten so eine Bühne für die Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen und sozialen Lage der Roma, mit Klischees, Vorurteilen und dem unverändert wirksamen Antiziganismus." Darüber hinaus gehe es darum, die "ungeheure Leistung" der Roma für die europäische Musikkultur aufzuzeigen und erfahrbar zu machen.
Dresden ist Schauplatz von RomAmoR und nun der ersten Aufführung des Requiems für Auschwitz in einem neuen Bundesland zu einem Zeitpunkt, an dem die Stadt republikweit und darüber hinaus als Hochburg der Pegida-Bewegung wahrgenommen und zum Teil auch stigmatisiert wird. Das Zusammentreffen der Pro-Roma-Kulturinitiative für die Minderheit, die wie kaum eine andere mit so großer gesellschaftlicher Verachtung verfolgt werde, und den Protestaktionen von Wutbürgern mit vielfach rechtsextremistischen Parolen sei nicht Kalkül der Planung gewesen, betont Jaenicke. Es sei aber jetzt, da sich die Ereignisse so entwickelt hätten, eher willkommen. "Unser Bestreben, ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen, hat ja an Berechtigung wohl noch gewonnen", unterstreicht der Intendant.