Dschibuti (epd)Von Wuppertal nach Dschibuti sind es knapp 6.000 Kilometer Luftlinie. Das Mini-Land am Horn von Afrika kannte Pastor Michael Schlick nur grob von der Landkarte. "Ich wusste vorher nicht mal so genau, wo das liegt", sagt der protestantische Priester aus Nordrhein-Westfalen. Inzwischen hat der 51-Jährige genau dort eine Mini-Gemeinde. Seit einem Jahrzehnt ist er vor Ort.
60 Mitglieder aus 15 Nationen
Wenig hat Schlick auf das vorbereitet, was inzwischen sein Alltag ist. Dschibuti ist zu 98 Prozent muslimisch - die zwei Prozent Christen sind vorwiegend römisch-katholisch, denn bis 1977 war Dschibuti eine französische Kolonie. Schlicks etwa 100 Seelen große französischsprachige Gemeinde speist sich vor allem aus Ausländern, die aus den verschiedensten Gründen nach Dschibuti gelangt sind. Dies könne mitunter eine richtige Herausforderung sein, erzählt Schlick.
"Alle, die sich als Protestanten fühlen, finden hierher", sagt er. "Es ist ein Spagat." Einen Gottesdienst am Sonntagabend besuchen durchschnittlich 60 Gemeindemitglieder, die aus etwa 15 Nationen stammen. Schlick muss soziale, sprachliche, kulturelle, religiöse Unterschiede auffangen. Das Spektrum der Gottesdienstbesucher reicht vom hohen Diplomaten aus Neuseeland bis zum äthiopischen Flüchtling. "In Routine verfallen wir hier nicht", kommentiert Schlick.
Dschibuti, ein bettelarmes Land und Durchgangsstation für Flüchtlingsströme in Ostafrika, ist winzig im Vergleich zu seinen Nachbarn. Nur knapp eine Million Einwohner zählt der Küstenstaat zwischen Somalia, Äthiopien und Eritrea. In der kleinen Hauptstadt, ebenfalls Dschibuti genannt, geht es beschaulich zu. Am Nachmittag sind mehr Ziegen als Autos auf den Straßen. Das Zentrum besteht aus ein paar Cafés, Reisebüros, Bars und Clubs, die noch an die Zeiten erinnern, als die französische Fremdenlegion in Dschibuti stationiert war. Heute haben die USA einen Teil des früheren Militär-Camps der Franzosen übernommen. Doch auch Japan und andere Nationen haben Soldaten in Dschibuti stationiert. Die Bundeswehr koordiniert von hier aus ihren Einsatz gegen Piraterie am Horn von Afrika, als Teil einer internationalen Mission zum Schutz wichtiger Schifffahrtsrouten.
Schlick, der nach einem Auslands-Vikariat in Frankreich jahrelang eine Pfarrstelle im südfranzösischen Montpellier innehatte, kümmerte sich nach seiner Ankunft in Dschibuti auch um die Seelsorge für die deutschen Soldaten. Der Kontakt steht immer noch. "Wenn es Probleme gibt, bin ich da , sagt der Geistliche. Er hält immer mal wieder einen Gottesdienst auf Deutsch. Und Bundeswehrsoldaten haben schon auf der Baustelle seiner Kirche mitgeholfen oder Material für den Kirchenbau mitgebracht.
Zungenreden im Gottesdienst
Das religiöse Spektrum der Gemeinde ist breit. In die Kirche am Boulevard de la République kommen neben Reformierten auch Baptisten, Mennoniten, Pfingstler und Charismatiker, die stark auf Erleben und Emotionen setzen. Auch mit der in Afrika verbreitete Prosperitätstheologie, die persönlichen Reichtum als Beweis für Gottesliebe sieht, muss sich der Pastor auseinandersetzen. "Da kann ich aber nicht mit", sagt Schlick. Das sei für ihn die Verkehrung des Evangeliums. Schlick versucht dennoch, den verschiedenen religiösen Ansätzen einen Platz zu geben. So fängt der Gottesdienst eine Viertelstunde früher an, um dem freien Gebet Raum zu lassen. "Es gibt sogar Zungenreden im Gottesdienst", sagt Schlick mit Blick auf Gläubige, die sich während der Kirche vom Heiligen Geist ergriffen fühlen und unverständlich sprechen während des Gebets.
Der deutsche Pastor hält den Sonntagsgottesdienst auf Französisch: Die Gemeinde untersteht dem evangelischen Missionarswerk in Paris. Doch nur eine Minderheit der Gemeinde spricht gut Französisch. Es gab, so Schlick, schon Jahre, da sei seine französische Frau die einzige Muttersprachlerin in der Messe gewesen. Außerdem ist die Gemeinde in einem ständigen Wandel. Von den Mitgliedern, die Schlick 2005 vorfand, sind gerade noch fünf in Dschibuti.
"Es ist für mich unerklärlich, dass die Gemeinde funktioniert", sagt Schlick. Aber sie tut es. Und auf dem Grundstück entstehen gerade eine neue Kirche und ein Gemeindehaus.