Frankfurt a.M., Münster (epd)"Mit den Menschen, die einem nah sind und die man liebt, besucht man die Kirche", sagte Detlef Pollack dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese sei ebenso wichtig wie festliche Stimmung, Musik, Predigt, Nachdenken über das vergangene und das kommende Jahr sowie Gewohnheit. "Religionssoziologisch gesprochen ist es diese Multifunktionalität, die den Weihnachtsgottesdienst so attraktiv macht", argumentierte der evangelische Theologe.
Den Reiz des Kirchgangs am Heiligen Abend mache aus, dass die Besucher alles auf einmal haben könnten. Da seien die Sinne, das Herz und der Verstand angesprochen. "Und nachdem man den Weihnachtsbraten hinter sich hat, ist mancher froh, sich auch einmal bewegen zu können", sagte der Religionssoziologe, der über den Rückzug von Religion in modernen Gesellschaften forscht.
Gewohnheit und Tradition wichtig
Rund neun Millionen Menschen besuchen Erhebungen zufolge die evangelischen Gottesdienste am Heiligen Abend. In den östlichen Bundesländern besucht mehr als die Hälfte der evangelischen Kirchenmitglieder am 24. Dezember einen Gottesdienst. An normalen Sonntagen sind es bundesweit weniger als eine Million.
Die Gottesdienstbesucher zu Weihnachten spiegelten den Bevölkerungsdurchschnitt wider, sagte Pollack, der Sprecher des Exzellenzclusters "Religion und Politik" an der Universität Münster ist. "Unter ihnen sind natürlich die Kirchennahen auf jeden Fall vertreten, die auch sonst zur Kirche gehen, aber auch die Kirchendistanzierten, und sogar Kirchenentfremdete und Ausgetretene finden sich unter ihnen." Unter den Motiven, die Menschen an Weihnachten zur Kirche führten, spielten Gewohnheit und Tradition eine größere Rolle als "religiöse Sehnsucht".
In der aktuellen Mitgliederstudie der EKD nennen jeweils mehr als 80 Prozent der Befragten als Gründe für den Gottesdienstbesuch an Heiligabend: Gottesdienst gehört zu Weihnachten wie Geschenke und Weihnachtsbaum sowie geschmückte Kirche (jeweils 89 Prozent), Begleitung von Freunden und Familie und weihnachtliche Stimmung (88 Prozent). Auf den nächsten Plätzen folgen die Predigt, das Gemeinschafts- und Familienerlebnis sowie die theologische Botschaft von der Menschwerdung Gottes.