Den Rasen des noch relativ neuen Dresdner Dynamo-Stadions kennen die Kruzianer sonst nur vom traditionellen Kräftemessen mit dem Leipziger Thomanerchor und von Gelegenheitsauftritten bei Kirchentagen. Für den Auftakt zur 800-Jahr-Feier des weltbekannten Knabenchores im April nächsten Jahres ließ sich der in verschiedenen Leitungsfunktionen beim MDR tätige Thomas Reiche etwas Besonderes einfallen: Der Öffentlichkeitsbeauftragte des Kreuzchores, dessen Söhne im Chor singen, verständigte sich mit dem derzeitigen souveränen Spitzenreiter der 3. Fußball-Liga auf ein spektakuläres Weihnachtssingen im Stadion der SG Dynamo Dresden.
Das Datum 21. Dezember bot dabei nicht allein den Bezug zum unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsfest. Wie an jedem Montag fanden an diesem Tag auch eine Kundgebung der "Pegida"-Bewegung und eine Gegenveranstaltung des Bündnisses "Herz statt Hetze" statt. "Das ist nicht Dresden", nahm Kreuzkantor Roderich Kreile zuvor schon Stellung zum derzeit stark von "Pegida" geprägten Bild der Stadt. Man wolle bewusst die wahren Werte des Abendlandes "pflegen und weiter in die Welt hinaustragen". Außerdem betonte der Kreuzchor mit dem Konzertmotto "Danke, Dresden!" seine Verbundenheit mit der Stadt. Mit dem Event im Stadion hoffte man, über das "Kerngeschäft in der Kreuzkirche", wie sich Reiche ausdrückte, hinauszugehen und eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.
Reiches Dramaturgie und Regie des knapp zweistündigen Konzertes am Montagabend setzte auf eine Crossover-Mischung aus schlichtem Chorgesang und swingenden Bearbeitungen. Letztere stammten größtenteils von Friedemann Matzeit an den Keyboards. Dem innigen Auftakt eines "Stille Nacht"-Knabensolos folgten so eher poppig getönte Auftritte der Sängerin Elisabeth Markstein. Eine siebenköpfige Band unter Leitung von Peter Christian Feigel begleitete diese Soli wie auch zahlreiche traditionelle Weihnachtslieder des Kreuzchores dezent. Auch Kreuzkantor Roderich Kreile verließ mit seinem lockeren Dirigierstil sozusagen den Altarraum der Kreuzkirche und tänzelte zuweilen wie der Leiter eines Tanzorchesters vor den Akteuren.
Mit aufwendig installierter Beleuchtung und einer geschickten Lichtregie versuchten die Veranstalter, gewissermaßen Wohnzimmeratmosphäre in das 32.000 Besucher fassende Stadion zu zaubern. Nur etwa die Hälfte dieser Zuschauerzahl war aus sicherheitstechnischen Gründen zugelassen worden und auch erschienen. Zu Tausenden standen Dresdner unter anderem auf dem Spielfeld, das sonst für sie tabu ist. Strahler erzeugten für sie vorwiegend blaue und rote Lichtstimmungen, während die etwa 80 Kruzianer auf der halbrund gewölbten Bühne in gelbliche Lichtspiele getaucht wurden.
Doch ein weihnachtlicher Funke schien jeweils nur zum starken Applaus nach den insgesamt 21 Liedern überzuspringen. Zu deutlich kollidierten der Veranstaltungsort und ein Teil der Gäste mit der sonst als weihnachtlich empfundenen Intimität. Schon zum Einzug wurden die Kruzianer vom sogenannten K-Block auf den Traversen mit "Dynamo, Dynamo"-Rufen empfangen. Die insgesamt mangelhafte Beschallung führte bei den von Schauspieler Gunter Schoss vorgetragenen Weihnachtsgeschichten zu Pfiffen und "Lauter, Lauter!"-Forderungen. Unmut zeigte sich auch bei einem der eingespielten Videos zum Kreuzchor und seinem Umfeld: Als sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck äußerten, wurden sie von Pfiffen und Buh-Rufen übertönt.
Weitgehend ins Leere lief trotz angezeigter Texte auch die Aufforderung, zumindest die bekanntesten Weihnachtsohrwümer mitzusingen. Nur bei "Leise rieselt der Schnee" stießen die Animationsbemühungen des Kreuzkantors zumindest auf ein wenig Resonanz. Gelegentliche rhythmische Mitklatschversuche scheiterten schon an den schwierigen akustischen Gegebenheiten. So blieb trotz vorbildlicher Intentionen ein gemischter Eindruck von der Stadionpremiere des Kreuzchores.