Berlin (epd)Auch nachdem das Oberverwaltungsgericht die Schließung des "Menschen Museums" von Leichenpräparator Gunther von Hagens verfügt hat, bleibt die Schau am Berliner Fernsehturm vorerst geöffnet. Die Museumsmacher erklärten am Freitag, sie wollten zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann die nächsten Schritte beraten. Bis zu einer endgültigen Entscheidung könne noch ein Jahr vergehen.
Urteil nicht rechtskräftig
Das Urteil ist nach Angaben einer Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg noch nicht rechtskräftig, weil der Betreiber noch Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen kann. Bis darüber entschieden sei, könne die Ausstellung weiter gezeigt werden. Die Kuratorin des Museums, Angelina Whalley, sagte, auf den Betrieb habe das Urteil zunächst keine Auswirkungen: "Bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung bleibt unser Museum wie bisher geöffnet."
Unterdessen begrüßten die evangelischen Kirche und CDU-Politiker die Entscheidung des Gerichts. Der Bischof der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, zeigte sich froh darüber, dass das Gericht der Argumentation des Bezirks Berlin-Mitte und seiner Kirche gefolgt sei. "Die Würde eines Menschen geht über den Tod hinaus", sagte Dröge. Eine Leiche sei keine Sache, die für kommerzielle Zwecke vermarktet werden könne.
Plastinate unterliegen Ausstellungsverbot
Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom Donnerstag sind die im "Menschen Museum" gezeigten Plastinate Leichen im Sinne des Berliner Bestattungsgesetzes und unterliegen damit auch dem gesetzlich geregelten Ausstellungsverbot. Die Ausnahmeregelung für wissenschaftliche Präparate in anatomischen Instituten sei in dem Fall nicht anwendbar, da der Betreiber eine zum Zweck der Ausstellung gegründete GmbH sei. (Az.: OVG 12 B 2.15)
Die Ausstellung könne auch nicht ausnahmsweise genehmigt werden, weil der Betreiber für die Ausstellungsstücke keine konkreten Einwilligungen der Köperspender vorweisen könne, urteilten die Berliner Richter. Es bestehe keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Plastinate mit Einwilligung der Spender hergestellt worden sind und nach ihrem Willen auch ausgestellt werden dürfen. Dies sei jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für eine Ausstellung menschlicher Exponate. Im Museum sind rund 20 Ganzkörperplastinate in unterschiedlichen Posen und etwa 200 Teilkörperplastinate von verschiedenen Organen, Knochen und Geweben zu sehen.
Das Oberverwaltungsgericht änderte mit seinem Urteil eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, das vor einem Jahr entschieden hatte, dass keine Genehmigung für die Ausstellung nötig sei.
Menschenwürde statt Sensationslust
Erfreut äußerte sich die kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Cornelia Seibeld: Die Menschenwürde werde höher bewertet als die Sensationslust. Die Ausstellung sei weder Kunst noch Wissenschaft. Die Menschenwürde gelte nicht nur für Lebende, sondern auch für Verstorbene, sagte sie.
Auch der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Berlin-Stadtmitte, auf dessen Gebiet das Museum liegt, zeigte sich zufrieden. "Verstorbene werden jetzt auch aus höchstinstanzlicher Sicht als verstorbene Menschen betrachtet und nicht, wie in der ersten Instanz behauptet, als Sondermüll", sagte Pfarrer Bertold Höcker.
Die Museumsmacher Whalley und Gunther von Hagens reagierten enttäuscht auf den Richterspruch. Er lasse grundlegende Aspekte außer Acht, etwa die grundgesetzlich zugesicherte Wissenschaftsfreiheit. Nach ihren Angaben haben bisher 160.000 Menschen das Museum besucht, darunter mehr als 10.000 Schüler.
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Donnerstag ist der vorläufige Schlussstrich unter jahrelange Debatten und Gerichtsauseinandersetzungen über mehrere Instanzen hinweg. Von Anfang an hatten der Berliner Stadtbezirk Mitte und die Kirche versucht, eine Eröffnung des weltweit einmaligen Museums zu verhindern und auf die Würde Verstorbener hingewiesen. Nach juristischen Niederlagen der Gegner hatte das Museum schließlich im Februar 2015 unter dem Fernsehturm eröffnet.