Die Mennoniten sind aus der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts hervorgegangen – im Zuge der Reformation um Zwingli in der Schweiz. Von der Schweiz breiteten sich die Täufer nach Österreich und entlang der Rheinschiene in Deutschland und Holland aus. Der Friese Menno Simons (1496-1561) ist Namensgeber der Mennoniten. Der Geistliche lebte im Gebiet der heutigen Niederlande. Er lernte die Ideen Martin Luthers kennen, kam aber zu anderen Schlüssen und versammelte die friedlichen Täufer um sich. Weil die Mennoniten den Dienst an der Waffe und den Eid ablehnten und schon früh die Trennung vom Staat propagierten, sind sie verfolgt worden.
Besonders verwerflich war für die Landesfürsten und etablierten Kirchenvertreter die obrigkeitskritische Haltung der Mennoniten, die sich durch ihre Verfolgung sicher verschärfte. Auch die Erwachsenentaufe war Stein des Anstoßes – Simons ging es dabei um die Mündigkeit im Glauben, bezeugt durch die Taufe. Weil sie verfolgt wurden, mussten viele Mennoniten quer durch Europa fliehen. Andere wanderten nach Nord- und Südamerika aus.
Mennoniten kennen bis heute kein Lehramt und in der Regel auch kein Bischofsamt. Sie setzen auf die Autonomie der Gemeinden, die auch über Lehrmeinungen selbst entscheidet. Mennoniten wünschen sich mündige Christen, die das "Priestertum aller Gläubigen" in den Gemeinden realisieren, sagt Professor Fernando Enns, Leiter der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen am Fachbereich der Evangelischen Theologie der Universität Hamburg. Das Wort und die Auslegung der Bibel durch Pastoren und Laien stehen im Zentrum ihres Glaubens. In der Taufe bekennen sich Jugendliche oder Erwachsene zur mennonitischen Gemeinde. Jegliche Gewalt, auch kirchliche Hierarchien werden in der evangelischen Freikirche abgelehnt.
So gibt es zwar keine Dogmen, aber doch Bekenntnisschriften wie das Schleitheimer Bekenntnis (Schweiz 1527). In sieben Artikeln umriss man damals die Grundzüge mennonitischen Glaubens. Im Jahr 2006 hat die Mitgliederversammlung der Mennonitischen Weltkonferenz in Pasadena (Kaliforien) ein gemeinsames Bekenntnis abgelegt. Die Nachfolge Jesu bedeutet auch: "So werden wir Friedensstifter, die der Gewalt absagen, ihre Feinde lieben, nach Gerechtigkeit trachten und ihren Besitz mit Notleidenden teilen."
Von liberal bis konservativ
In Deutschland leben heute rund 60.000 Mennoniten, weltweit ca. 1,7 Millionen – gezählt werden nur die erwachsenen Getauften, sagt Fernando Enns. Der Kontinent Afrika hat bezüglich der Anzahl der Mitglieder mittlerweile Nordamerika überholt, Asien kommt an dritter Stelle und Europa bildet das Schlusslicht.
In Süddeutschland, am Rhein, in Hamburg und Friesland gibt es Jahrhunderte alte Gemeinden, die durch Flüchtlinge aus der Weichselgegend in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg neuen Zuzug erhielten. Nach Danzig waren Holländer geflohen, um der Verfolgung in den Niederlanden im 16./17. Jahrhundert zu entkommen. In Deutschland sind durch den Zuzug der Russlanddeutschen in den 70er bis 90er Jahren viele neue mennonitische Gemeinden entstanden, die eigene Organisationen gründeten.
Die Mennoniten bildeten von Anfang an eine plurale Bewegung. Recht früh spalteten sich die Amischen von ihnen ab und gingen weltabgewandte, konservative Wege für ihren Glauben. Mennoniten suchen im gemeinsamen Studium der Bibel und in der Gemeinschaft herauszufinden, wie die Botschaft Gottes heute zu verstehen sei. Weil jede Gemeinde autark ist, bestimmt sie auch weitgehend die eigene theologische Richtung. Heute gibt es daher eine bunte Vielfalt an Gruppen und Verbänden, in denen sich die Mennoniten organisieren. Das Spektrum reicht von liberalen, politisch links stehenden Gemeinden über durch die Aufklärung geprägte Mennoniten bis hin zu konservativen Ausrichtungen, die die Bibel wortwörtlich auslegen.
Doch generell versuchen die Arbeitsgemeinschaften, die Bekenntnisse früherer Zeiten nicht im Wortlaut absolut zu setzen, sondern sie immer wieder neu an die Zeit anzupassen und zu hinterfragen, sagt der Friedenstheologe Enns. So gehörten die Mennoniten auch zu den ersten christlichen Gemeinden, die Pastorinnen einstellten.
Es gibt aber auch eine dunkle Zeit der Mennoniten. Im Zweiten Weltkrieg, während der Nazizeit, "waren die Mennoniten leider, leider nicht besser als die meisten anderen Menschen in Deutschland", sagt Enns. Trotz ihrer Friedenstradition wurden auch Mennoniten zu Mitläufern. Sie verleugneten ihr Ideal, den Dienst an der Waffe zu verweigern oder wenigstens zu umgehen. "Man kann sagen, dass nach dem zweiten Weltkrieg ein theologischer Zusammenbruch in Deutschland erfolgte", sagt Enns. Doch das Konzept der mennonitischen Friedenskirche in Europa wurde neu ausgelotet. Die Aufarbeitung dieses Versagens im Zweiten Weltkrieg hat erst begonnen.
Soziales Engagement und Ökumene
Als historische Friedenskirche setzen die Mennoniten auf die Bekämpfung der Armut und das Engagement gegen Ungerechtigkeit in der Welt. Mennoniten nennen dies den "gewaltlosen Dienst am Mitmenschen". Das sind die Eckpfeiler, die die Kirche lange getragen haben. In Berlin wurde in dieser Tradition auch das "Mennonitische Friedenszentrum" gegründet, das neue Konzepte der Friedensarbeit etwa durch Gewaltprävention befördert.
Als Freikirche finanzieren Mennoniten ihre Pastoren und ihre Gemeindearbeit aus freiwilligen Abgaben und Spenden ihrer Mitglieder. Man betont die Trennung von Kirche und Staat. Der innerchristlichen Ökumene sind viele alteinsessenen Gemeinden gegenüber aufgeschlossen, es gibt aber auch Skeptiker. Mennoniten sind Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK).
Weil die einzelnen Gemeinden unabhängig sind (konkregationalistisches Selbstverständnis), gibt es keine übergeordnete Organisation wie ein Kirchenparlament, sondern nur Arbeitsgemeinschaften. Der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) haben sich beispielsweise 56 Gemeinden mit mehr als 5000 Mitgliedern zusammengeschlossen. Daneben gibt es zahlreiche Verbände von alteingesessenen Gemeinden und russlanddeutschen Mennoniten. Die Mennonitische Weltkonferenz (MWK) bündelt die Arbeit vieler Verbände noch einmal.