Berlin (epd)Die Bundesregierung hat keine konkrete Übersicht über die Flüchtlinge in deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, über die am Donnerstag zuerst die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Demach weiß das Ministerium auch nicht, wie viele Personen bereits auf die Kommunen verteilt wurden. Die SPD nahm die Auskunft gelassen. Die Grünen nannten sie "peinlich".
In der Antwort, die auch dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, verweist das Innenministerium immerhin auf die im Erfassungssystem der Länder registrierten Flüchtlinge. Bis zum 2. November wurden dort für dieses Jahr rund 770.000 Asylsuchende erfasst, davon fast 164.000 im September und etwa 181.000 im Oktober.
Ordnung durch schnelle Registrierung
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte dem RBB-Inforadio, es sei "wenig überraschend", dass die Zahl der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen aufgrund der aktuellen Lage nicht genau bekannt sei. Die Grünen-Politikerin Renate Künast sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass die Bundesregierung "aber schlicht gar nicht weiß, wie viele Menschen sich zur Zeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen aufhalten, ist peinlich". Künast stellte die Frage, wie eine "vernünftige Flüchtlingspolitik" gelingen könne, wenn schon die statistische Erfassung nicht klappe.
Fahimi sagte, es sei nun wichtig, die beschlossenen Einreisezentren einzurichten. Nur durch die schnelle Registrierung sei Ordnung zu schaffen. Die große Koalition hatte in der vergangenen Woche die Einrichtung solcher Zentren beschlossen. Allerdings sollen sie vor allem für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive geschaffen werden. Das würde nur einen kleinen Bruchteil der Flüchtlinge treffen.
Gabriel: "Scheindebatte"
Unterdessen sorgt auch die Diskussion über den Familiennachzug für weiteren Streit in der Koalition. Die hatte sich auf eine zweijährige Aussetzung dieses Anspruchs für subsidiär Schutzberechtigte geeinigt, worunter nicht die syrischen Flüchtlinge fallen. Aus der Union kommen aber Forderungen, einen größeren Personenkreis zu erfassen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete die Diskussion als "Scheindebatte". Es sei "ziemlich albern", zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs darüber zu diskutieren, den Nachzug von Familien einzuschränken, wenn im laufenden Jahr 18.000 Menschen über diesen Weg nach Deutschland kommen, sagte Gabriel nach einem Treffen mit Kommunalpolitikern in Berlin.
"Strafverfolgungsbehörden enorm belastet"
Die Flüchtlingspolitik beschäftigte dort auch die Justizministerkonferenz. In einem einstimmigen Beschluss wandten sich die Ressortchefs aus den Ländern gegen fremdenfeindliche Hetze im Internet. In dem Papier unterstützen sie die Bemühungen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), Internetplattformen wie Facebook zu einem konsequenteren Vorgehen gegen sogenannte Hass-Posts zu bewegen und fordern eine Überprüfung der Rechtslage, um Hetze eventuell besser ahnden zu können.
Nicht einigen konnten sich die Justizminister auf Änderungen bei der Verfolgung illegalen Grenzübertritts, was derzeit vor allem Flüchtlinge betrifft. Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Baden-Württembergs Ressortchef Rainer Stickelberger (SPD), erklärte, diese Situation setze derzeit eine ganze Kette von staatlichem Handeln in Gang, die die Strafverfolgungsbehörden aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen enorm belaste. Insbesondere Bayern wandte sich aber gegen "eine Aufweichung der Einreisekriminalität", wie es Justizminister Winfried Bausback (CSU) formulierte. Die Justizminister erteilten zunächst nur einen Auftrag zur Überprüfung der Regelung.