Dresden
Dresden, Erfurt, Halle (epd)Mehrere tausend Menschen haben am Montagabend in den ostdeutschen Städten Dresden, Erfurt, Leipzig und Halle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit demonstriert. In Dresden versammelten sich am Jahrestag der Judenpogrome vor 77 Jahren und des Mauerfalls vor 26 Jahren nach Angaben der Initiative Durchgezählt 4.000 bis 6.000 Menschen zu einem Demonstrationszug. Er stand unter dem Motto "Herz statt Hetze". Zeitgleich mobilisierte die fremdenfeindliche "Pegida"-Bewegung auf dem Theaterplatz demnach erneut 7.000 bis 8.500 Anhänger. In Braunschweig demonstrierten mehr als 1.000 Menschen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.
Zu wenig Protest gegen Fremdenfeindlichkeit
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, Nora Goldenbogen, kritisierte in ihrer Rede, dass Begriffe und Parolen aus der NS-Zeit "wieder ungeniert gesprochen werden können". "Diese Sprache darf nicht mehr sein", sagte sie. Mit Blick auf "Pegida" sagte sie: Noch nie habe sie am Pogrom-Gedenktag am 9. November "ein so bedrückendes und erschreckendes Gefühl" gehabt.
Zudem beklagte Goldenbogen, das es in Dresden zu wenig Protest gegen Fremdenfeindlichkeit gebe. "Wir müssen uns wehren", forderte sie, "Werte und Gedanken des Dritten Reiches zu benutzen muss ein für allemal verboten sein". An verantwortliche Politiker und die Gesellschaft appellierte sie: "Wir müssen etwas tun, damit sich in Dresden etwas ändert". Die Dresdner Stadtverwaltung war zuvor scharf kritisiert worden, weil sie die fremdenfeindliche "Pegida"-Kundgebung am geschichtsträchtigen Ort auf dem Theaterplatz erlaubt hatte.
In Erfurt folgten mehrere tausend Menschen einem Aufruf des Bündnis "Mitmenschlich für Thüringen" mit Vertretern aus allen gesellschaftlichen Bereichen darunter von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden. Die Veranstalter sprachen von bis zu 8.000 Menschen auf dem Erfurter Domplatz. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 6.000, die Initiative Durchgezählt sprach von bis zu 4.500 Menschen.
Noch immer weit verbreiteter Antisemitismus
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte, am 9. November als "dem deutschesten aller Tage" sei es notwendig, ein "gemeinsames Zeichen für die Zukunft" zu setzen. Der stellvertretende evangelische Landesbischof Diethard Kamm dankte den zahlreichen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern für ihren Einsatz. "Sie prägen unser Land am Ende mehr als alle Hassprediger und die, die ihnen hinterherlaufen", betonte Kamm. Der katholische Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr betonte, der Not der Geflüchteten dürfe nicht mit menschenfeindlichen Parolen, Hass oder Gewalt begegnet werden.
In Leipzig versammelten sich nach Schätzungen von Durchgezählt rund 550 "Legida"-Anhänger zu einer Kundgebung. Ihnen standen bis zu 2.500 Gegendemonstranten gegenüber. Nach Angaben der Polizei kam es auf beiden Seiten immer wieder zu kleinen Ausschreitungen. In Halle (Sachsen-Anhalt) haben am Montagabend laut Polizei rund 470 Menschen gegen eine rechtspopulistische "Montagsdemo" mit 320 Teilnehmern protestiert. Auch hier kam es nach Polizeiangaben zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten. Dabei seien mehrere Personen verletzt worden, darunter ein 49-Jähriger schwer. Auch drei Polizisten erlitten Verletzungen.
In Braunschweig gingen zum Jahrestag der Reichspogromnacht nach Polizeiangaben mehr als Tausend Menschen auf die Straße. Der Sprecher des Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts, David Janzen, warnte bei der Kundgebung auf dem Domplatz vor einem noch immer weit verbreiteten Antisemitismus: "Menschen jüdischen Glaubens müssen Angst haben, beleidigt oder angegriffen zu werden, wenn sie sich offen als Juden zu erkennen geben." Der örtliche islamfeindliche "Pegida"-Ableger "Bragida" konnte der Polizei zufolge lediglich 50 Anhänger mobilisieren.