Mit Aufrufen zu einer humanen Flüchtlingspolitik und Warnungen vor Fremdenfeindlichkeit hat am Sonntag in Bremen die Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begonnen. Bisher habe sich die Europäische Union als unfähig erwiesen, mit der Flüchtlingssituation angemessen umzugehen, kritisierte der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in seinem Bericht vor dem Kirchenparlament. Wenn sich Europa wirklich auf seine christlichen Wurzeln berufen wolle, müssten alle zur Aufnahme von Menschen in Not bereit sein. "Aber darüber besteht in Europa keine Einigkeit", sagte der Theologe.
Auch der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms warnte vor einer Abschottung Europas. "Kein Zaun und keine Mauer haben je Sicherheit erzeugt", sagte Brahms, der als leitender Geistlicher an der Spitze der Bremischen Evangelischen Kirche steht, im Eröffnungsgottesdienst.
"Ethik des Mitgefühls"
Im Mittelpunkt der viertägigen Beratungen in Bremen stehen die Neuwahl der EKD-Führungsspitze und die Vorbereitungen zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm ist seit November 2014 als Ratsvorsitzender oberster Repräsentant der 22,5 Millionen deutschen Protestanten. Bei den Wahlen am Dienstag und Mittwoch gilt der 55-Jährige als Anwärter für eine reguläre sechsjährige Amtszeit, nachdem er zunächst unplanmäßig auf Nikolaus Schneider gefolgt war. Dieser hatte das Amt vorzeitig abgegeben, um seiner an Krebs erkrankten Frau Anne beizustehen.
Der Ratsvorsitzende lobt den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik. "Der Versuch, uns durch Abschottung die faktisch ja vorhandene massive Not vom Leibe zu halten, wäre ethisch nicht zu rechtfertigen", sagte Bedford-Strohm. Er warb für eine "Ethik des Mitgefühls". Diese Empathie aus christlichem Glauben sei eine wichtige Ressource für die kirchliche Flüchtlingshilfe.
Bedford-Strohm wandte sich gegen eine Absenkung des Schutzstatus für syrische Flüchtlinge. Für die beiden christlichen Kirchen seien eine rechtliche Herabstufung syrischer Flüchtlinge und eine Politik der Abschottung gegenüber Menschen, die vor dem IS-Terror fliehen, nicht zu akzeptieren, sagte er. Gerade die rechtliche Ausgestaltung des Familiennachzugs würden die Kirchen genau verfolgen.
Pegida, Flüchtlinge, Israel
Scharfe Kritik äußerte der bayerische Landesbischof an fremdenfeindlichen Demonstrationen von "Pegida" und der "radikalisierten 'Alternative für Deutschland'". "Wer bei deren Demonstrationen mitläuft, muss sich im Klaren darüber sein, dass er rechtsradikalen Hetzparolen, die dort geäußert werden, Legitimation verleiht", sagte Bedford-Strohm. Eine rote Linie sieht er dort, wo die Äußerung von Sorge in Hetze umschlage. Ängste müssten auf den rationalen Kern zurückgeführt werden.
"Von 'Volksverräter'-Parolen bis zu Brandanschlägen ist es nicht weit", mahnte Bedford-Strohm. Wer in der aktuellen Situation "Gift in die deutsche Gesellschaft streut", stelle sich gegen alles, was das Christentum im Kern ausmache. Konkret warnte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten vor Rechtsterrorismus. Dagegen müssten alle rechtsstaatlichen Mittel aufgeboten werden: "Das Gleiche gilt für den Rechtsradikalismus als seinen Nährboden."
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte in einem Grußwort an das Kirchenparlament zudem vor einem zunehmenden Antisemitismus, da viele Flüchtlinge aus Ländern kämen, wo "eine feindliche Einstellung zu Israel normal ist". Wenn in Deutschland der Antisemitismus zunehme, sei das "ein Problem für die gesamte Gesellschaft", sagte er. Es müsse daher auch das Anliegen der Kirchen sein, "diesem Antisemitismus entschieden entgegenzutreten" sowie die Flüchtlinge "in unser Wertesystem einzubinden".
Bedford-Strohm sagte: "Wenn Menschen jetzt aus arabischen Ländern zu uns kommen, in denen Antisemitismus Teile der Kultur mitbestimmt, dann müssen wir ihnen tatsächlich in dieser Hinsicht klare Lernerfahrungen hier in Deutschland zumuten." Es habe gute Gründe, dass Antisemitismus gerade in Deutschland tabu sei, unterstrich der Ratsvorsitzende.