Frankfurt a.M., Dresden (epd)Zehn Kindertagesstätten in Sachsen tragen ein besonderes Prädikat: Sie sind "Willkommenskitas". Genauer gesagt wollen sie das erst noch werden. Die Einrichtungen stellen sich den speziellen Herausforderungen der Aufnahme von Flüchtlingskindern. Hinter dem Projekt steht die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), die die Einrichtungen bis zum Jahr 2017 begleitet. Sie schult das Personal und hilft, ein lokales Netzwerk für mehr Willkommenskultur aufzubauen.
Wie geht man mit traumatisierten Kinder um? Wie mit sprachlichen oder kulturellen Barrieren? Welchen Status haben die Mädchen und Jungen im Asylrecht? Fragen über Fragen, auf die das Kita-Personal meist noch keine passende Antwort hat.
Heterogener Bedarf
"Die Ausgangssituation ist bei den Einrichtungen sehr unterschiedlich. Manche nehmen seit Jahren schon Kinder aus schutzsuchenden Familien auf. In anderen Regionen ist die Thematik neu", berichtet Axel Möller, Projektleiter der DKJS. Somit sei der Bedarf an Unterstützung auch sehr heterogen.
Er erläutert, wie das Projekt aussieht: Die Kitas werden durch professionelle Einrichtungscoaches begleitet. Es gibt spezielle Fortbildungen. Und jährlich erfolgt ein Erfahrungsaustausch aller Teilnehmer. Ziel sei es, lokale Netzwerke mit Asylbewerberunterkünften aufzubauen. Vermittelt würden aber auch Dolmetscher oder Kontakte zu Migrationsberatungsstellen. Möller betont, dass es für die Betreuerinnen besonders wichtig sei, die eigenen Grenzen zu kennen und zu wissen, wo kompetente Ansprechpartner zu finden sind.
Die Gröditzer Einrichtung "Buratino" ist eine der Modellkitas. Deren Leiterin Heike Seifert von der Arbeiterwohlfahrt spricht von ganz neuen Herausforderungen: Die ausländischen Kinder "brauchen Zeit, müssen intensiv begleitet und unterstützt werden." Und das, wo die Erzieherinnen nicht dafür ausgebildet wurden, mit Kindern aus vielen verschiedenen Kulturen und Religionen zu arbeiten. Zusätzliches Problem: Viele Kinder sind traumatisiert und zeigen auffälliges Verhalten.
Bedarf an Betreuung wächst
Die Caritas fordert mehr Personal für alle Kitas, die Kinder von Asylbewerbern aufnehmen. Zudem müssten die Erzieherinnen dringend für den Umgang mit traumatisierten Kindern geschult werden, sagt Caritas-Präsident Peter Neher: "Leider gestaltet sich der Kita-Zugang in der Praxis oft schwierig." Die Gemeinschaftsunterkünfte lägen oft weit außerhalb, und vielen Flüchtlingen fehle das Geld, um die Kita zu bezahlen.
Der Bedarf an Betreuung wächst: Am 30. April waren rund 38.000 Kinder im Alter bis zu sechs Jahren in einem Asylverfahren. Das sind laut Caritas 6.000 Mädchen und Jungen mehr als noch im Jahr zuvor.
Eltern skeptisch
Zwar hat nach dem Sozialgesetzbuch VIII jedes Flüchtlingskind einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Doch die meisten Kinder von Asylbewerbern besuchen keine Kita, beklagt der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK). Schuld daran sei der oft ungeklärte Aufenthaltsstatus. Erst wenn die Kinder offiziell geduldet sind, ist der Weg in eine Kita formal frei.
Doch auch dann gibt es noch Hürden: "Viele Flüchtlingskinder kommen aus Herkunftsländern, in denen es keine institutionalisierte Betreuung wie das System in Deutschland gibt. Viele Eltern sind daher skeptisch und wollen ihr Kind nicht in eine solche staatliche Einrichtung geben", merkt Christina Fehrenbacher, Referentin beim KTK, an.
Zudem sei die Bedarfsplanung der Kita-Träger "häufig ein System, das viel Vorlauf benötigt und die Flüchtlingskinder nach ihrer Ankunft einfach warten müssen, bis sie in der nächsten Vergaberunde berücksichtigt werden können", sagt Fehrenbach. Das könne unter Umständen ein Jahr dauern.
Geregelter Alltag mit Routine
Der Expertin zufolge ist es wichtig, dass Flüchtlingskinder in die Kitas kommen. "Durch den Besuch bekommen sie nach ihrer Fluchterfahrung wieder einen geregelten Alltag mit Routine." Zudem sei das eine Möglichkeit, "aus der Isolation der Flüchtlingsunterkünfte herauszukommen". Sie könnten so auch für ihre Eltern Türöffner in eine andere Kultur sein.
Die DKJS-Experten blicken bereits in die Zukunbft: "Derzeit wird eine Strategie zum Transfer des Programmwissens nach Ende der Modellphase erarbeitet", erläutert Axel Möller. Anfragen aus anderen Bundesländern lägen schon vor.