Sumte (epd)Der Saal im Hotel Hannover in Neuhaus an der Elbe ist schon eine Stunde vor Beginn der Bürgerversammlung überfüllt. Als Alexander Götz vom niedersächsischen Innenministerium am Dienstagabend dort auf das Podium tritt, drängen sich die Menschen bis in die Gaststätte und vor die Türen. Im 100-Einwohner-Dorf Sumte bei Neuhaus sollen demnächst bis zu 1.000 Flüchtlinge in eine Notunterkunft einziehen, die das Land Niedersachsen in einem leerstehenden Bürokomplex plant. Götz will erklären, warum das so ist und wie das überhaupt gehen kann.
1.000 statt 80 Flüchtlinge
Die Aufregung ist groß, seitdem die Pläne bekanntgeworden sind. Die Gemeinde Neuhaus, zu der Sumte gehört, hat weniger als 4.800 Einwohner, sagt Bürgermeisterin Grit Richter. Nach den üblichen Quoten seien da etwa 80 Flüchtlinge angemessen. Vor einer Woche erst habe sie erfahren, dass jetzt 1.000 kommen sollen: "Das hat mich total überfahren."
Götz zeigt Verständnis und wirbt gleichzeitig selbst darum. Täglich kämen derzeit 1.000 bis 1.500 Flüchtlinge nach Niedersachsen. Noch immer müssten einige in Zelten ausharren. Jede Möglichkeit, Menschen warm und trocken unterzubringen, werde gebraucht. Die Notunterkunft sei nur auf Zeit geplant - voraussichtlich für ein Jahr. 1.000 Bewohner seien das Maximum, vielleicht würden es auch weniger. "Die Menschen, die zu uns kommen brauchen schlicht und ergreifend unsere Hilfe."
Ort nur mit Fähre erreichbar
Doch im Saal überwiegen die Ängste, und es gibt ganz praktische Fragen. Der Sumter Ortsvorsteher Christian Fabel hat einige aufgelistet. Wie wird die Sicherheit von Bevölkerung und Asylsuchenden gewährleistet? Wie die Versorgung mit Wasser, Abwasser und Internetzugang gesichert, wenn sich die Einwohnerzahl verzehnfacht? Die nächsten zwei Geschäfte seien mehr als vier Kilometer entfernt, gibt er zu bedenken. "Wir sind nicht dagegen, dass Flüchtlinge aufgenommen werden. Wir wollen das nur so gestalten, dass alle damit leben können."
Einige erinnern unter Applaus an die besondere Geschichte der schon zu DDR-Zeiten benachteiligten Region. Sumte gehört zu den acht Orten im Amt Neuhaus östlich der Elbe, die nach der Wende 1993 wieder zu Niedersachsen kamen. In der DDR wurden dort Menschen zwangsausgesiedelt, mussten Häuser und Höfe aufgeben. Bis heute ist die rund 40 Kilometer entfernte Kreisstadt Lüneburg nur mit der Fähre zu erreichen oder über größere Umwege. Lange und vergebens hofften Bürger auf eine Brücke.
Fremdenfeindliche Parolen
Vereinzelt werden im Saal auch Vorurteile laut. "Muslime mögen keine anderen Religionen", sagt jemand. Die Fernsehbilder von Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften sind vielen präsent. Einzelne Rechtsextremisten sind da, unter ihnen der bekannte Neonazi Thomas Wulff. Am Ausgang verteilt ein junger Mann Flugblätter der "Identitären Bewegung" mit fremdenfeindlichen Parolen.
Sumter Bürger befürchten auch, dass Rechtsextreme dort künftig eine Plattform sehen könnten. "Wir im Ort wollen das nicht!", betont der Unternehmer Dirk Hammer. Wie es um den Brandschutz des Bürogeländes bestellt ist, will jemand mit Blick auf den Anschlag wissen, der erst kürzlich auf eine geplante Unterkunft im nahen Boizenburg verübt wurde. Viele Fragen bleiben offen. Alexander Götz bietet an, erneut zu kommen. Manches wird beantwortet. Für Medien, Wärme und Wasser werde natürlich gesorgt, sagt der Mann vom Ministerium. Der Lüneburger Polizeichef Hans-Jürgen Felgentreu sichert zusätzliche Streifen zu.
Jens Meier vom Arbeiter-Samariter-Bund berichtet von den positiven Erfahrungen, die er in einer anderen Unterkunft gemacht hat - dem guten Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamtlichen und den Menschen, die dort Obdach gefunden haben. Der ASB wird auch die Einrichtung in Sumte betreiben. "Machen Sie mit und helfen Sie, dieses Problem mit uns zu bewältigen", ruft er in den Saal. Und erntet durchaus Applaus, als er hinzufügt: "Lasst uns was tun!"