Berlin (epd)Mit den Flüchtlingen kommen auch Zehntausende schulpflichtige Kinder und Jugendliche nach Deutschland. Das Mercator Institut für Sprachförderung hat am Donnerstag in Berlin eine erste Bestandsaufnahme über die Beschulung der Kinder vorgestellt. Gegenüber dem Vorjahr werden sich den Prognosen zufolge die Zahlen mindestens verdoppeln. Insbesondere die weiterführenden Schulen stehen vor großen Herausforderungen, weil sie die meisten Kinder und Jugendlichen aufnehmen werden.
Der Direktor des Mercator Instituts für Sprachförderung, Michael Becker-Mrotzek, sagte, die Integration von zugewanderten Kinder sei künftig eine Daueraufgabe. Schon heute kämen die Bundesländer an ihre Grenzen, weil mehr Willkommens- und Deutsch-Klassen eingerichtet werden müssten als Lehrer vorhanden seien. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Unterrichtsmodell wollte Becker-Mrotzek nicht geben. Ausgeschlossen werden müsse nur, dass Kinder ohne Sprachförderung direkt in Regelklassen kämen.
Kaum Daten für Planungen
Im vergangenen Jahr sind knapp 100.000 ausländische Kinder im schulpflichtigen Alter von sechs bis 18 Jahren nach Deutschland gekommen. Zwei Drittel waren zwischen zehn und 18 Jahren alt. Insgesamt hat sich die Zahl der jungen Zuwanderer seit 2006 vervierfacht - dennoch beträgt ihr Anteil an der gesamten Schülerschaft bisher nur ein Prozent. Berücksichtigt wurden nicht nur Flüchtlinge, sondern die Kinder aller Zuwanderer.
In diesem Jahr sind laut Studie bereits in der ersten Jahreshälfte von sechs- bis 18-jährigen Flüchtlingen über 33.000 Asylanträge gestellt worden und damit fast so viele wie im ganzen vorigen Jahr. Die Schulen sind der Studie zufolge nicht ausreichend vorbereitet. Ein Grund sei die schlechte Datenlage. Es gebe kaum Planungsgrundlagen. Bisher werde in den meisten Bundesländern nicht einmal systematisch erhoben, wie viele Kinder ohne Deutschkenntnisse tatsächlich an den Schulen sind. So sei es nicht möglich, den Bedarf an Lehrern und anderen Ressourcen zu bestimmen. Die Autoren der Studie führen die Probleme darauf zurück, dass die schnelle Integration zugewanderter Kinder jahrelang vernachlässigt worden ist.
Drei Monate bis zum Schulbesuch
Zudem gilt die Schulpflicht nur in Berlin und im Saarland von Anfang an. In Baden-Württemberg etwa können bis zu sechs Monate zwischen Ankunft und erstem Schultag liegen, in Bayern und Thüringen drei. In anderen Ländern wiederum hängt der erste Schultag von der Zuweisung in eine Gemeinde ab. Die Autoren der Studie fordern, dass zwischen der Ankunft eines Kindes und dem ersten Schulbesuch nicht mehr als drei Monate liegen sollten. Es müsse zudem bundesweit vergleichbare Daten und möglichst einheitliche Mindestanforderungen und Standards für den Schulstart von Zuwandererkindern geben.
Für die Studie sind den Angaben zufolge Daten des Statistischen Bundesamts, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie kommunale Daten aus den vergangenen Jahren bis Ende 2014 ausgewertet worden. Sie wurde vom Mercator Institut und dem Zentrum für LehrerInnenbildung an der Universität Köln erstellt.