Berlin (epd)Salafisten auf der einen, ein einseitiges Islambild auf der anderen Seite: Ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Autoren will in der öffentlichen Debatte für einen aufgeklärten Islam eintreten und die Vielfalt der Religion deutlich machen. Am Freitag stellten der Psychologe Ahmad Mansour und der islamische Theologe Mouhanad Khorchide die "Berliner Thesen" des im April gegründeten Muslimischen Forums Deutschland vor. Darin enthalten sind ein klares Bekenntnis zur Religionsfreiheit, der Trennung von Staat und Religion und der Selbstbestimmung der Frau. Zudem fordern die Wissenschaftler nachhaltige Konzepte, um Jugendliche vor Radikalisierung zu bewahren - auch mit Blick auf die Flüchtlinge.
Eindimensionales Religionsverständnis
Mansour warnte vor Salafisten, die in Flüchtlingsunterkünften radikale Thesen verbreiten. "Wir wissen, dass Salafisten vor Flüchtlingsheimen stehen, wir wissen, dass sie anwerben", sagte der Sprecher des Muslimischen Forums bei der Vorstellung in Berlin. Er forderte eine professionelle Betreuung der Flüchtlinge durch den Staat. Man dürfe dies nicht nur Ehrenamtlichen überlassen. Unter diese mischten sich auch Salafisten. Zugleich forderte Mansour, den neu ankommenden Flüchtlingen schnell eine Perspektive zu geben. "Wenn wir sie nicht betreuen, tun das später die Salafisten", sagte er.
Besonders sind Mansour zufolge allerdings bereits in Deutschland lebende Jugendliche anfällig für die radikale Ideologie von Islamisten. Unter ihnen sei ein eindimensionales Religionsverständnis verbreitet, das andere ausschließt. Dazu gehören Nicht- und Andersgläubige genauso wie Muslime anderer Glaubensrichtungen als der eigenen.
Das Forum schreibt dazu in seinen Thesen: "Im Exklusivismus liegt eine Grundlage für Gewalt." Wahrheiten von oben aufzuzwingen widerspreche dem Geist eines humanistischen Islams. Im Papier fordern die Mitglieder des Forums außerdem, den Koran in seinem historischen Kontext zu betrachten und entsprechend kritisch zu lesen. "Wir glauben an einen Gott der Liebe, einen Gott der Barmherzigkeit", sagte der Münsteraner Professor für islamische Theologie, Khorchide. Auf dieser Grundlage wolle sich das Forum auch intensiv am interreligiösen Dialog beteiligen.
Nicht die Repräsentanten der Mehrheit
Das Papier betont auch, es solle Frauen selbst überlassen werden, ob sie das Kopftuch tragen oder nicht. Für Kinder lehnt das Forum das Kopftuch ausdrücklich ab. Auch findet sich in den Thesen ein Bekenntnis zum Schwimmunterricht, Klassenfahrten und Sexualkunde, die Teil des Bildungsauftrags und damit "nicht verhandelbar" seien, sagte Mansour.
Unterzeichnet haben das Papier bislang 15 Islamexperten verschiedener Disziplinen. Das Forum will Mansour zufolge weitere Mitstreiter gewinnen. Eine Schätzung darüber, wie viele der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime hinter den Thesen stehen, wollten die Initiatoren nicht abgeben. "Wir sind nicht die Repräsentanten der Mehrheit der Muslime", sagte Mansour. Neben kritischen haben es aber auch bereits viele positive Reaktionen gegeben.