Berlin (epd)Von den Bund-Länder-Verhandlungen zur Flüchtlingspolitik an diesem Donnerstag in Berlin erwarten Länder und Kommunen deutlich mehr Geld und organisatorische Unterstützung vom Bund. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bekräftigte in Hannover die Forderung von sechs Milliarden Euro für die Länder im kommenden Jahr. Bisher hat der Bund drei Milliarden Euro für die Länder zugesagt und will selbst drei weitere Milliarden ausgeben. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) erklärte in Berlin, allein das Land Niedersachsen habe für das kommende Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich eingeplant.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte in Düsseldorf, er erwarte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "ein klares Signal". Der Asylgipfel müsse für "eine konkrete und schnelle Entlastung" sorgen. In den Metropolen kämen täglich Sonderzüge mit Flüchtlingen an. Die kommunalen Spitzenverbände erklärten, Städte und Landkreise operierten an ihrer Belastungsgrenze. Sie forderten mehr Unterbringungsplätze und schnellere Verfahren. Die finanzielle Beteiligung des Bundes müsse sich den jeweiligen Flüchtlingszahlen anpassen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Viel zu viele Reibungsverluste
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) drängte ebenfalls, Einmalzahlungen des Bundes seien keine Lösung: "Wir können nicht akzeptieren, dass wir irgendeine Summe genannt bekommen, die dann gedeckelt ist", sagte sie im Saarbrücker Landtag. Der Bund müsse mehr Lasten tragen, wenn mehr Menschen kämen und weniger, wenn die Flüchtlingszahlen zurückgingen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich am Mittwoch in Berlin zuversichtlich, dass man sich in den zentralen Punkten einigen werde. Neben den Finanzen sind die wichtigsten Punkte die Beschleunigung der Asylverfahren, mehr Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge und ein Gesetzespaket zu Asyl, Integration, Gesundheitsversorgung und Verfahrensbeschleunigungen, etwa im Baurecht.
Der niedersächsische Innenminister Pistorius warnte vor einem Kollaps des Asylsystems, wenn es nicht gelinge, die Verfahren zu beschleunigen. Er stellte gemeinsam mit dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, einen Forderungskatalog der acht SPD-Innenminister der Länder vor. Es gebe noch viel zu viele Reibungsverluste zwischen Bundes- und Länderbehörden, sagte er. Der Bund solle endlich die Gesamtregie übernehmen. Dies gelte auch für die Verteilung der Flüchtlinge, bei der die Länder derzeit alleingelassen würden.
Kritik von Wohlfahrtsverbänden
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz setzte sich in der "Berliner Zeitung" (Mittwochsausgabe) dafür ein, mehr Flüchtlinge in ein beschleunigtes Asylverfahren aufzunehmen. Diese Möglichkeit gibt es gegenwärtig für Asylsuchende aus Syrien, Eritrea sowie für Christen und Jesiden aus Gebieten im Irak unter IS-Kontrolle.
In Hinblick auf die Asylrechtsänderungen kritisierten Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen die von der Bundesregierung geplanten Einschnitte bei den Sozialleistungen für Flüchtlinge als verfassungswidrig. Das Vorhaben, Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive nur noch das physische Existenzminimum zur Verfügung zu stellen, sei "klar menschenrechtswidrig", sagte Wiebke Judith von Amnesty International in Berlin. "Pro Asyl"-Geschäftsführer Günter Burkhardt sprach von einem "Programm zur Entwürdigung von Menschen".
Der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums hat unter anderem zum Ziel, Menschen ohne Anrecht auf einen Aufenthaltsstatus schneller zurückschicken zu können. Er sieht eine Kürzung der Sozialleistungen vor für Asylbewerber, die selbstverschuldet eine Ausreise verhindern, einem anderen europäischen Staat zugeteilt werden oder in einem anderen EU-Land bereits anerkannt wurden. Die entsprechende Passage wurde zwar bereits entschärft, trotzdem werden nach Schätzung von "Pro Asyl" Zehntausende Flüchtlinge betroffen sein.