Berlin (epd)Die Hälfte von ihnen sei psychisch krank, erklärte die Bundespsychotherapeutenkammer am Mittwoch in Berlin. Aber nur vier Prozent erhielten derzeit eine psychotherapeutische Behandlung. 40 bis 50 Prozent litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen, ebenso viele unter Depressionen. Häufig kämen beide Krankheiten zusammen. Unter den Kindern gilt jedes Fünfte als traumatisiert; das sind 15 mal mehr als unter den in Deutschland geborenen Kindern.
Ein Viertel der Kinder haben Leichen gesehen
Die Angaben basieren auf Studien über bereits in Deutschland lebende Flüchtlinge. Danach sind 70 Prozent der Erwachsenen und 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen Zeugen von Gewalt geworden. Jeder Vierte musste mitansehen, wie Familienmitglieder attackiert wurden, 55 der Erwachsenen und 15 Prozent der Kinder wurden selbst Opfer von Gewalt. Mehr als jeder zweite Erwachsene (60 Prozent) und ein Viertel der Kinder haben Leichen gesehen. Rund ein Drittel aller Flüchtlinge haben Naturkatastrophen, Krieg, Unfälle und Gefangenschaft erlebt. Jede fünfte Frau und fünf Prozent der Mädchen sind sexuell missbraucht oder vergewaltigt worden.
Es reiche nicht aus, die schweren psychischen Leiden vieler Flüchtlinge mit Medikamenten zu behandeln, sagte der Präsident der Psychotherapeutenkammer, Dietrich Munz. Der Verband fordert, dass Flüchtlingszentren, die Therapien für traumatisierte Menschen anbieten, mit den Krankenkassen abrechnen können und Privatpraxen ermächtigt werden, auch Flüchtlinge zu behandeln.
Nur selten genehmigt
Nach 15 Monaten haben Flüchtlinge zwar grundsätzlich Anspruch auf eine Psychotherapie, bekämen sie aber nur sehr selten genehmigt, erläuterte Munz. Es fehle an Plätzen und Dolmetschern, so dass die Menschen in der Regel von Flüchtlings- oder spezialisierten Traumzentren behandelt werden, welche wiederum nicht mit den Kassen abrechnen können. Die Kosten für Dolmetscher werden nur selten von den Sozialämtern übernommen. Die Psychotherapeutenkammer will deshalb eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, damit Flüchtlinge Anspruch auf einen Sprachmittler haben, wenn dies für ihre Behandlung notwendig ist.
Posttraumatische Belastungsstörungen äußern sich unter anderem in sogenannten "Flashbacks" mit Atemnot, Schwindel, Herzrasen und Todesängsten. Chronische Angststörungen und häufig auch Depressionen sind die Folgen. Weitere Symptome sind Schlaf- und Konzentrationsstörungen, starke Schreckhaftigkeit und emotionale Taubheit.