Frankfurt a.M. (epd)Die Kritik aus den Bundesländern an den Beschlüssen der großen Koalition zur Flüchtlingspolitik wird lauter. «Drei Milliarden Euro für die Kommunen und Länder sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber nicht weit genug», kritisierte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte am Dienstag in Berlin, sie sehe in den Beschlüssen von Union und SPD vom Wochenende das Wort «Verantwortungsgemeinschaft», das die Gespräche zwischen Bund und Ländern bislang geprägt habe, nicht bestätigt.
«Chance für uns selbst»
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte die Bewältigung der Flüchtlingskrise eine «Bewährungsprobe für Deutschland und Europa». Diesen «Kraftakt» zu meistern, habe absolute Priorität. Wenn möglich, solle das ohne neue Schulden gelingen, sagte der Minister in der Haushaltsdebatte des Bundestages: «Dem haben sich dann andere Ausgabenwünsche einzuordnen.»
Zugleich sprach sich Schäuble dafür aus, über Flüchtlinge nicht nur unter Kostengesichtspunkten zu diskutieren. «Wir sollten diese Situation auch als eine Chance für uns selbst begreifen», sagte er und verwies auf die deutsche Vereinigung vor 25 Jahren, die gezeigt habe, was Verwaltung und Bürger leisten könnten, wenn es darauf ankomme.
Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Kraft verlangte, dass sich der Bund ab dem nächsten Jahr entsprechend den konkreten Flüchtlingszahlen an den Kosten beteiligt. «Ich gehe davon aus, dass unsere Verabredung steht», sagte sie unter Verweis auf ein Bund-Länder-Treffen im Juni. Die SPD-Politikerin hält die Prognose des Bundes, wonach rund 800.000 Flüchtlinge im laufenden Jahr nach Deutschland kommen, für zu niedrig: «Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass diese Zahl nicht reichen wird.»
Soli für Flüchtlinge
Ramelow sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, das Paket der Koalition enthalte Licht und Schatten. Er sprach sich dafür aus, den Solidaritätszuschlag künftig zur Flüchtlingsaufnahme und Integration für alle Bundesländer zu verwenden. Auch der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verlangte mehr Unterstützung vom Bund. Die Überlassung von Liegenschaften wäre eine enorme Entlastung.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, forderte unterdessen, abgelehnte Asylbewerber auch in das Bürgerkriegsland Syrien abzuschieben. «Nicht überall in Syrien wird gekämpft. Aleppo ist nicht Damaskus», sagte er dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland». Es gebe auch in Syrien Regionen, in denen man leben könne.
Straubinger kritisierte den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der im ZDF erklärt hatte, aus seiner Sicht komme Deutschland «mit einer Größenordnung von einer halben Million» Flüchtlinge für einige Jahre sicherlich klar. Für den CSU-Politiker ist dies «ein falsches Signal nach draußen».
Weltweites Gipfeltreffen
Der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Flüchtlingsfragen, Peter Sutherland, forderte ein weltweites Gipfeltreffen unter Führung der Vereinten Nationen, um konkrete Zusagen für die Aufnahme von Flüchtlingen zu erreichen. Der UN-Sonderbeauftragte warnte am Dienstag in Genf zudem vor den Folgen, sollten weiterhin nur einige wenige europäische Staaten Flüchtlinge aufnehmen. Die dadurch empfundene Ungerechtigkeit werde unweigerlich dazu führen, dass großzügige Regierungen wachsendem Druck der eigenen Bevölkerung ausgesetzt seien. Neue Pläne zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in einer Grundsatzrede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg vorstellen.
Bei Protesten gegen eine Kundgebung von Rechtsextremisten in Dortmund war es am Montagabend zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen linksgerichteten Aktivisten und Polizisten gekommen. Rund 40 Anhänger der rechtsextremen Partei «Die Rechte» protestierten in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofs gegen die Ankunft von mehreren tausend Flüchtlingen aus Ungarn, wie die Polizei mitteilte. Während mehrere hundert Bürger friedlich und lautstark gegen die Rechtsextremisten protestierten, hätten einzelne Gewalttäter Polizisten angegriffen. Die Polizei habe eine direkte Konfrontation zwischen den Rechtsextremisten und den Gegendemonstranten verhindern können.