Die Gewalt im Osten der Ukraine nimmt kein Ende. Seit Beginn der Kämpfe im April 2014 wurden fast 8.000 Menschen getötet, wie aus einem Lagebericht hervorgeht, den das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Dienstag in Genf vorstellte. Demnach herrschen Rechtlosigkeit und Willkür in den Konfliktgebieten. Drei Millionen Menschen in den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk lebten ohne irgendeinen Schutz ihrer grundlegenden Menschenrechte, sagte der für Europa zuständige Direktor der Organisation, Gianni Magazzeni.
"Ihnen kann es dort passieren, dass Menschen in Ihre Wohnung eindringen und Ihren Sohn, Ihre Tochter, Ihre Frau oder Sie selbst verschleppen und für mehrere Monate festhalten, foltern oder umbringen", sagte Magazzeni. "Und es gibt nichts, dass Ihnen helfen kann, weder das Völkerrecht noch internationale Organisationen." Außer Mord, Verschleppung und Folter wirft der 11. Bericht zur Lage der Menschenrechte im Osten der Ukraine den Rebellen in Donezk und Luhansk auch sexuelle Gewalt, Zwangsarbeit und Erpressung vor.
Auf beiden Seiten: Panzer, Raketen, Kanonen, Mörser und Haubitzen
Erstmals ist in dem Bericht auch von massiver Gewalt gegen religiöse Minderheiten die Rede. Im Mai habe der sogenannte Präsident der "Volksrepublik Donezk" angekündigt, neben der russisch-orthodoxen nur die katholische Kirche sowie Islam und Judentum als Religion anzuerkennen. Andere Glaubensgemeinschaften würden als Sekten verfolgt. Mindestens zwölf Versammlungshäuser der Zeugen Jehovas seien seitdem von Bewaffneten besetzt, mehrere Gläubige verhaftet und misshandelt worden. Magazzeni erklärte, die UN sähen die Vorkommnisse mit Besorgnis.
Dem UN-Bericht zufolge sind immer mehr Zivilisten Opfer der Kämpfe. Sowohl die ukrainische Armee als auch Rebellengruppen beschössen Wohnviertel mit schweren Waffen und nähmen so zivile Opfer in Kauf, heißt es. Ungeachtet eines im Februar vereinbarten Rückzugs schwerer Waffen seien bis mindestens Mitte August auf beiden Seiten Panzer, Raketen, Kanonen, Mörser und Haubitzen eingesetzt worden.
Die Situation in der Region um die Rebellen-Städte Donezk und Luhansk werde zudem dadurch verschärft, dass offenbar weiterhin Kämpfer, moderne Waffen und Munition aus Russland eingeführt würden. Den Machthabern auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim werfen die Berichterstatter die Verfolgung von Oppositionellen und ethnischen Minderheiten vor.
Vorwürfe erheben die UN-Menschenrechtler auch gegen den ukrainischen Geheimdienst und paramilitärische ukrainische Gruppen. Diese verschleppten und verhafteten mutmaßliche Gegner, die dann oftmals misshandelt oder gefoltert würden. Die Inhaftierten hätten keinen Zugang zu einem Rechtsweg. Nach Angaben der UN hat sich zudem die humanitäre Situation in den Konfliktgebieten verschlechtert, seitdem die ukrainische Regierung Lieferungen von Nahrungsmitteln und Medikamenten untersagt hat.
Seit Beginn der Ukraine-Krise im April 2014 haben die UN im Osten der Ukraine 7.962 Tote und 17.811 Verletzte registriert. Zwischen dem 16. Mai 2015 und dem 15. August 2015, dem Zeitraum des aktuellen Berichts, sind 105 tote und 308 verletzte Zivilisten gezählt worden. Diese sind in der Gesamtzahl enthalten.