Gottes guter Bodyguard

epd-bild/privat
Nena, Muhammad Ali, Dieter Bohlen - sie alle haben schon einmal auf die Leibwächterdienste von Michael Stahl (stehend) zurückgegriffen. Der frühere Bodyguard ist inzwischen in einer anderen Mission unterwegs: In seiner Sportschule will er Menschen zeigen, wie wertvoll sie sind.
Gottes guter Bodyguard
Nena, Muhammad Ali, Dieter Bohlen - sie alle haben schon einmal auf die Leibwächterdienste von Michael Stahl zurückgegriffen. Der frühere Bodyguard ist inzwischen in einer anderen Mission unterwegs: Er will Menschen zeigen, wie wertvoll sie sind.
07.09.2015
epd
Marcus Mockler (epd)

Bopfingen, Nördlingen (epd)Michael Stahl war Leibwächter für Nena und Dieter Bohlen, Karlheinz Böhm und Papst-Bruder Georg Ratzinger, für Cassius Clay (Muhammad Ali) und den Basketballstar Dirk Nowitzki. «Nowitzki ist 2,13 Meter groß - da habe ich mich gefragt, wer beschützt hier eigentlich wen?», erinnert sich Stahl. Den Job als Bodyguard hat Stahl 2007 an den Nagel gehängt. Seitdem konzentriert er sich darauf, Menschen an Leib und Seele erfahren zu lassen, wie wertvoll sie sind.

Nicht siegen müssen

Dazu hat er in seiner württembergischen Heimatstadt Bopfingen zwischen Aalen und dem bayerischen Nördlingen eine Sportschule aufgebaut, die einer ungewöhnlichen Philosophie folgt: Nicht der Sieg über den Gegner steht im Mittelpunkt, sondern eine Selbstverteidigung, die vor allem auf die Entschärfung von Situationen abzielt.

Die Botschaft des 45-Jährigen, dass alle Menschen wertvoll sind, aber nur wenige ihren Wert kennen, ist die Folge seiner schwierigen Kindheit. Der Vater Alkoholiker, die Familie praktisch mittellos, musste er bis zum Alter von 14 im Schlafzimmer der Eltern nächtigen. Er empfand die Auseinandersetzungen mit seinem Vater als so hart, dass er sich gegen Ende seiner Grundschulzeit vor einen Zug werfen wollte, sagt er.

In diesem Schlafzimmer war aber auch eine Jesusfigur. «Wer ist der Mann mit dem Löchern in den Händen, der mich so liebevoll anblickt?» wollte er wissen. Von Hause aus evangelisch, besuchte er oft die katholische Kirche, weil sie nur wenige Meter entfernt vom elterlichen Haus stand.

In der Schule gemoppt

Der christliche Glaube begleitete den Heranwachsenden, löste aber nicht alle seine Probleme. Mit 18 lebte er für ein paar Wochen auf der Straße, beruflich ging es von einer Lehre als Verkäufer über die Mitarbeit in einer Lederfabrik schließlich zum Türsteherdienst und Personenschutz. Für Judo, Taekwondo und Kung Fu hatte er sich immer begeistert und bei den Trainings einige Erfolge erzielt.

Michael Stahl wurde in der Schule gemobbt. Der Onkel, ein Ex-Polizist, sagte ihm: «Wenn du einmal wegläufst, läufst Du immer weg» - und zeigte ihm Tricks, wie man sich deeskalierend gegen Angriffe verteidigen kann. Diese Grundidee hat Stahl weiterentwickelt.

Herausgekommen ist das Programm «Moderne Selbstverteidigungs-Erziehung», das er an seiner Bopfinger Schule und deren Ablegern in Aalen und Nürnberg Menschen aller Altersklassen anbietet. Dabei verzichtet der Protestant bewusst auf fernöstliche Meditationstechniken, wie sie oft etwa in Karateschulen praktiziert werden. Auch gibt es keine Prüfungen für einen schwarzen oder roten Gürtel. Wer sein Bestes gibt, bekommt Anerkennung - egal ob Topathlet oder Behinderter. Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen lässt Stahl auch kostenlos mittrainieren.

Dem Vater vergeben

Die vielleicht wichtigste Lebenserfahrung war für den Kampfsportler 2007 die Versöhnung mit seinem Vater. Stahl wurde in dieser Zeit bewusst, dass er dem Mann, dessen Anerkennung er nie bekommen konnte und von dem er kaum Liebe erfahren hatte, vergeben musste - auch um sich selbst von der Last seiner Familiengeschichte zu befreien. Das Gespräch endete damit, dass sich die beiden in den Armen lagen. «Wir hatten noch eine wunderschöne Zeit, bis mein Vater dann 2010 starb», sagt der Sohn.

Mit der Botschaft der Liebe und der Versöhnung geht der Kampfsportler nun in die Öffentlichkeit. Bücher mit Titeln wie «Vater-Sehnsucht» und «Verbranntes Männerherz» hat er dazu geschrieben, über 100 Vorträge pro Jahr hält er in Kirchen, Schulen, Gefängnissen und Firmen.