Die Flüchtlings- und die Euro-Krise machen den Deutschen gegenwärtig am meisten zu schaffen. Nach der diesjährigen Befragung "Die Ängste der Deutschen" fürchtet jeder Zweite (50 Prozent), dass die deutschen Behörden und die Gesellschaft mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise überfordert sind. Vergleichbar hoch (jeweils 49 Prozent) sind die Befürchtungen, dass wegen des Zuzugs von Ausländern die Spannungen im Land und der politische Extremismus zunehmen werden.
Angst vor Naturkatastrophen steigt am stärksten
Der aktuellen Umfrage über die Ängste der Deutschen zufolge kommen die Bedrohungen von außen: Es sind die Herausforderungen durch die große Flucht aus dem Süden und Osten, die Euro-Krise, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die Klimaveränderungen.
Auf lange Sicht gesehen steigt die Angst der Deutschen vor Naturkatastrophen sogar am stärksten. Sie läge mit 53 Prozent auf Platz Eins, wenn es die Griechenland-Pleite nicht gegeben hätte. Gegenüber dem Vorjahr ist indes die Angst vor Terrorismus mit 13 Prozentpunkten am stärksten gestiegen. Dazu dürften vor allem die Berichte über die Verbrechen der Terrormiliz IS beigetragen haben.
Geld, Geld, Geld
Die Top-Angst der Deutschen bezieht sich aber wie in den Vorjahren aufs Geld: 64 Prozent befürchten, dass sie als Steuerzahler am Ende für die Euro-Schuldenkrise zur Kasse gebeten werden. Im Gegensatz dazu wird die individuelle wirtschaftliche Situation so gelassen beurteilt wie lange nicht mehr. Seit 2005 hatten noch nie so wenige Bürger Angst um ihren Arbeitsplatz. Die Rate hat sich auf 32 Prozent halbiert. Auch Befürchtungen in Hinblick auf die Wirtschaftslage sind stark zurückgegangen. 2005 speiste sich die Angst von 70 Prozent der Bürger aus Wirtschaftsdaten, heute fürchten nur 40 Prozent eine sich verschlechternde Konjunktur.
Die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten ist im Vergleich zu 2014 am stärksten gesunken (um zehn Prozentpunkte). In den vergangenen zwanzig Jahren lag sie 15 Mal auf Platz 1. Die Ergebnisse bestätigen eine Allensbach-Studie über die Gruppe der 30- bis 59-Jährigen, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Auf den vorderen Plätzen der persönlichen Ängste ist und bleibt die Sorge ums Alter (49 Prozent), insbesondere die, ein Pflegefall zu werden - auch in diesem Punkt kommt die Allensbach-Studie zum selben Ergebnis.
Furcht vor Zuwanderung im Osten größer
Wie schon in den Vorjahren verteilen sich die Ängste in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich. Im Osten stehen wirtschaftliche Nöte sowie die Furcht vor Zuwanderung (Ost: 55 Prozent - West: 47 Prozent) stärker im Vordergrund, im Westen die Furcht vor den Folgen von Naturkatastrophen. Auch für Männer und Frauen verzeichnet die Umfrage unterschiedliche Trends: Bei den Männern nehmen die Ängste zu, bei den Frauen hingegen ab. Der Heidelberger Politologe Manfred G. Schmidt, der die Umfrage wissenschaftlich begleitet, führt das auf größere Statusängste bei den Männern zurück, die mit Bedrohungen von außen verbunden sind.
Die Umfrage zu den Ängsten der Deutschen wird seit 24 Jahren im Auftrag der R+V Versicherung ausgeführt. Dabei wird nach 16 verschiedenen Ängsten aus dem gesellschaftlichen und persönlichen Umfeld gefragt. In diesem Jahr wurde zusätzlich die Befürchtung abgefragt, ob "die stark zunehmende Zahl der Asylbewerber Deutschlands Bürger und seine Behörden überfordert". Die Interviews mit knapp 2.400 repräsentativ ausgewählten Personen wurden von Anfang Juni bis Mitte Juli geführt. Damals lag die Flüchtlingsprognose noch bei 250.000 Asylanträgen für dieses Jahr.