Diakoniewissenschaftler: Bei Flüchtlingshilfe andere Bedürftige nicht übersehen

Diakoniewissenschaftler: Bei Flüchtlingshilfe andere Bedürftige nicht übersehen
Der Diakoniewissenschaftler Uwe Becker warnt davor, bei aller Gastfreundschaft für Flüchtlinge das Leid anderer Menschen zu übersehen. Obdachlosen- und Arbeitslosenprojekte klagten bereits über den Rückgang des Spendenaufkommens, sagte der Theologe am Mittwoch in Düsseldorf in einem Gottesdienst zu seiner Verabschiedung als Vorstandssprecher der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Becker übernimmt ab September eine Professur für Diakoniewissenschaft, Sozialethik und Verbändeforschung an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum, an der er seit 2011 bereits als Honorarprofessor lehrt.

In seiner Predigt forderte Becker Kirche und Diakonie auf, die Fluchtursachen "lautstark an den Pranger zu stellen und kategorisch zu bekämpfen". Die Gründe dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen, seien politischer, militärischer und wirtschaftlicher Natur. Im Hinblick auf Rüstungsexporte nannte der scheidende Diakonie-Vorstand den freien Handel "eine Chiffre für kriegstreiberische Gewinnsucht". Er kritisierte auch, dass "europäische Butter, Milch, Geflügel und Fleisch dank Subventionen die heimischen Märkte in Afrika in die Knie zwingen".

Ausgeglichener Bundeshaushalt vs. nach Pfandflaschen suchende Rentner

Der tausendfache Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer habe die Europäer abstumpfen lassen und werde "zur unheimlichen Routine", sagte Becker. "Die Humanität wird im Mittelmeer zu Grabe getragen." Kirche und Diakonie müssten politische Missstände anprangern, wenn sie nicht blass und profillos werden wollten. Zu den Ungerechtigkeiten gehört für den Sozialexperten auch, dass die Politik in Berlin einen ausgeglichenen Haushalt feiere, "während die Zahl der nach Pfandflaschen suchenden Rentner an öffentlichen Mülltonnen stetig steigt".

Becker war seit 2008 Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe mit Sitz in Düsseldorf. Sie ist mit 130.000 Beschäftigten und 200.000 Ehrenamtlichen einer der größten Sozialverbände in Deutschland und vertritt fast 5.000 Sozialeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen. Seit 2004 war Becker, der 1959 in Grevenbroich geboren wurde, bereits Vorstandssprecher des Diakonischen Werks im Rheinland. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Wuppertal und Tübingen hatte er zunächst als Gemeindepfarrer in Wuppertal und Sozialpfarrer in Köln gearbeitet.