Experten bemängeln, dass keine Gelder für die Finanzierung der künftig vorgeschriebenen Sterbebegleitung in Pflegeheimen bereitstehen. Dort sterben aber die meisten alten Menschen. Mehr Geld für ihre Arbeit sollen nur Hospize und Palliativstationen in Kliniken bekommen.
Hannelore Böhnke-Bruns, Geschäftsbereichsleiterin für Pflege, Alten- und Behindertenarbeit der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), kann das nicht verstehen: "Sterbebegleitung findet im Pflegealltag statt. Die Mitarbeitenden brauchen zusätzliche Zeit für die besonders anspruchsvolle Begleitung Sterbender und für die stetige Fortbildung", sagt die Expertin. Diese Tätigkeiten müssten durch Kranken- oder Pflegekassen refinanziert werden.
"Das Sterben 'zweiter Klasse' in Pflegeheimen muss beendet werden."
"Sterbende Menschen benötigen eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung", heißt es in der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu dem neuen Hospiz- und Palliativgesetz (HPG). Ihre besonderen Bedürfnisse seien auch bei den Pflegeleistungen zu berücksichtigen. Das Gesetz, das im Bundestag im November abschließend behandelt werden soll, sieht allerdings nur mehr Geld für stationäre Hospize und Palliativstationen vor.
Der Widerspruch scheint offenkundig: Pflegeheime und ambulante Dienste werden gesetzlich zur Sterbebegleitung verpflichtet. Geld wird dafür allerdings nicht erübrigt. Bezahlt werden lediglich zusätzliche Beratungen zur Palliativversorgung in den Heimen.
Weil auch in den Plänen für die neue Pflegereform (PSG II) kein Geld für die Sterbebegleitung in den Heimen vorgesehen ist, fordert die Diakonie RWL deutliche Korrekturen an beiden Gesetzentwürfen. Es dürfe nicht sein, dass diese wichtige Aufgabe ohne Finanzierung bleibe.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert den Referentenentwurf des Pflegestärkungsgesetzes II. Sie bemängelt, dass Bewohner von Heimen bei der Hospiz-Begleitung benachteiligt werden. Vorstand Eugen Brysch: "Das Sterben 'zweiter Klasse' in Pflegeheimen muss beendet werden." Er sprach sich dafür aus, dass Heiminsassen unter bestimmten Voraussetzungen den gleichen Anspruch auf Sterbebegleitung wie in einem stationären Hospiz bekommen. Dafür müssten die Träger auch dieselbe Vergütung erhalten. Die jährlichen Mehrausgaben betrügen etwa 727 Millionen Euro.
"Einrichtungen wie Hospize und Palliativstationen sind segensreiche Einrichtungen. Aber nur die wenigsten Menschen, nämlich vier Prozent, sterben dort", sagt Katharina Ruth, Leiterin eines ambulanten Hospizdienstes unter dem Dach der Diakonie. Die Diplom-Pflegewirtin begleitet sterbenden Menschen mit ihren ehrenamtlichen Hospizhelferinnen überwiegend in den Altenheimen: "Das Altenheim ist neben dem Krankenhaus der Hauptsterbeort." Eine gute Hospiz- und Palliativversorgung ermögliche "allen Menschen ein Sterben unter würdigen Bedingungen".
Pro Wohnbereich eine ausgebildete Palliativfachkraft
Auch Ruth sieht die Notwendigkeit, dass Pflegeheime mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um diesem Auftrag gerecht zu werden. Sie wirbt dafür, pro Wohnbereich mindestens eine ausgebildete Palliativfachkraft einsetzen zu können. Zudem müssten sämtliche Pflegefachkräfte eine Basisqualifikation in palliativer Praxis durchlaufen. Der Personalschlüssel müsse erhöht werden, denn es brauche mehr Mitarbeiterinnen um Sterbende "etwa in der finalen Phase engmaschiger und angemessen versorgen zu können, insbesondere in der Nacht".
Im Bundesgesundheitsministerium hält man sich noch bedeckt. Eine Sprecherin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), das Ministerium könne "dem Ergebnis der parlamentarischen Beratungen nicht vorgreifen". Auch der Bundesrat verlangte in einer Erklärung am 12. Juni, die Finanzierung der palliativen Versorgung in Pflegeheimen und in der ambulanten Pflege zu regeln. Dazu heißt vom Ministerium: "Die Gegenäußerung der Bundesregierung zu den Feststellungen des Bundesrates erfolgt demnächst."