Die Sonne scheint auf eine orangegelbe, dürre Landschaft. Aber es kann sehr kalt werden im Atlasgebirge; Daru muss den Ofen anwerfen und sich warm anziehen. In einem gottverlassenen Tal unterrichtet der umsichtige, pragmatische Mann die Kinder der Umgebung im Lesen und Schreiben, in Geschichte und Französisch. Mit dem soeben entbrannten algerischen Unabhängigkeitskrieg will Daru nichts zu tun haben. Bis ein Gendarm aus dem nächsten Dorf ihm einen gefährlichen Job anträgt. Der Bauer Mohamed hat seinen Cousin getötet – Daru soll den merkwürdig sanften, merkwürdig passiven Mörder zur Verhandlung in die Stadt überführen. Gejagt von Mohameds Clan, bedroht von Kolonialtruppen und den Kämpfern der Nationalen Befreiungsfront, machen die beiden Männer sich auf den Weg durch die Berge, widerwillig der eine, still verzweifelt der andere.
Pazifist an der Waffe
Ein historischer Stoff, eine literarische Vorlage von Albert Camus, Musik vom Ex-Punk Nick Cave und Bilder wie aus einem Western: aus diesen Bestandteilen destilliert der französische Regisseur David Oelhoffen einen stilistisch strengen, eleganten und elegischen Film, der hoch aktuelle Fragen aufwirft.
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Der Held, Daru, bewegt sich als spanischstämmiger, französisch sprechender Siedler in Algerien zwischen den Kulturen, er hat täglich Umgang mit den Kindern der Landbevölkerung. Aber im Dialog mit Mohamed wird klar, dass er über die Traditionen, die dessen Leben prägen, wenig weiß – dass Mohamed, der allmählich zum Gefährten wird, sich nicht verteidigen will oder flüchtet, kann der Lehrer partout nicht verstehen. Umgekehrt enthüllt sich dem Gefangenen nur sehr allmählich, was Daru umtreibt – warum er so schnell an der Waffe ist, obwohl er Gewalt ablehnt. Die Reise durch den unwegsamen Atlas wird für die Männer und den Zuschauer zu einer in jeder Hinsicht komplexen Navigation: zwischen ethnischen, religiösen und politischen Konfliktlinien, der repressiven kolonialen Vergangenheit und einer vielleicht besseren, aufgeklärten Zukunft.
Der Regisseur:
David Oelhoffen, geb. 1968, arbeitete zunächst als Produzent und drehte ab 1996 mehrere Kurzfilme. 2006 entstand sein erster Spielfilm, NOS RETROUVAILLES. "Schon als ich die Kurzgeschichte 'Der Gast' von Camus zum ersten Mal las, stellte ich mir einen Western vor. Einen unkonventionellen Western, der auf der europäischen Geschichte basiert und im nordafrikanischen Gebirge spielt, aber ein Western. Dem Genre gemäß gibt es Kolonialherren und Kolonialisierte, ein Gefangener muss begleitet werden, es entwickelt sich eine Gewaltspirale. Die Kollision zwischen zwei Rechtssystemen ist das Herz der Geschichte und der Beziehung der Protagonisten. Wir werden Zeuge, wie zwei Kulturen und Moralvorstellungen durch die Geschichte zur Koexistenz gezwungen werden." (David Oelhoffen)
Die Begründung der Evangelischen Film-Jury zur Wahl des Monats finden Sie hier.
Produktion: Marc du Pontavice, Matthew Gledhill, Frankreich 2014; Regie: David Oelhoffen; Drehbuch: David Oelhoffen, nach der Novelle "L'hôte" von Albert Camus; Kamera: Guillaume Deffontaines; Schnitt: Juliette Welfling; Musik: Nick Cave, Warren Ellis; Darsteller: Viggo Mortensen (Daru), Reda Kateb (Mohamed), Angela Molina (Señorita Martinez) u.a.; 102 Min.; Verleih: Arsenal Filmverleih GmbH