Die 98 Synodalen haben an diesem Tag über neue Gemeindestrukturen angesichts sich verändernder Umstände beraten, eine Stelle für die Arbeit im Bereich „Freizeit und Tourismus“ und die Fortführung der erfolgreichen Jugendstudie „Jugend zählt“ beschlossen.
Verbundkirchengemeinden als weitere Gemeindeform
Eine Alternative zur Fusion von Kirchengemeinden soll die neue Form der Verbundkirchengemeinde bieten. Dabei arbeiten mehrere Ortsgemeinden enger zusammen und bilden einen gemeinsamen Kirchengemeinderat, der über Finanzen und Gottesdienstordnung entscheidet, so Oberkirchenrat Hans-Peter Duncker. Jedes Gemeindemitglied werde dabei weiterhin einen für sich zuständigen Pfarrer haben. Attraktiv sei das Modell für kleinere Gemeinden, für die eine Fusion nicht sinnvoll sei. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, in größeren Kirchenbezirken dem Dekan einen Co-Dekan zur Seite stellen. Entsprechende Modelle gibt es bereits in den Kirchenbezirken Ravensburg und Balingen. Matthias Hanßmann, Vorsitzender des Strukturausschusses der Synode, wies auf mögliche Schwierigkeiten bei der Versorgung von Gemeinden mit Pfarrern hin. Es müssten mehr Menschen für den Pfarrdienst gewonnen werden. Gleichzeitig seien Kürzungen von Gemeinde- und Sonderpfarrstellen unumgänglich. Außerdem sollte ein Fonds eingerichtet werden, um die erforderlichen Strukturveränderungen in der Kirche vorbereiten zu können, so der Ausschussvorsitzende.
Engagement in Freizeit und Tourismus
Die Synodalen beschlossen eine neue Projektstelle zum Ausbau der Angebote im Bereich Freizeit und Tourismus. Bisher schon werden zum Beispiel die Angebote von Radwegkirchen ausgebaut, viele Kirchengebäude auch werktags verlässlich geöffnet und Gottesdienste für Motorradfahrer veranstaltet. Außerdem gibt es in Württemberg inzwischen 20 Pilgerinitiativen, die mehr Unterstützung von der Landeskirche wünschen.
Weitere Jugendstudien geplant
Die im vergangenen Jahr vorgestellte Studie über Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg „Jugend zählt“ soll verstetigt werden. Die Synodalen beschlossen, eine solche Studie künftig alle sechs Jahre zu Beginn einer jeden Synodalperiode durchzuführen. Angestrebt werden soll dabei eine Zusammenarbeit mit der evangelischen Landeskirche in Baden sowie der katholischen Kirche. Außerdem soll eine Vertiefungsstudie am Tübinger Lehrstuhl für Religionspädagogik von Professor Friedrich Schweizer in Auftrag gegeben werden, um beispielsweise Unterschiede zwischen Stadt und Land besser zu verstehen sowie die Bedeutung regionaler Jugendwerke besser einschätzen zu können. Ergebnis der letzten Studie war, dass die Landeskirche rund ein Fünftel der evangelischen 6- bis 20-Jährigen durch regelmäßige Gruppenangebote erreicht.
Bildungsplan gebilligt
Bildungsdezernent Oberkirchenrat Werner Baur berichtete, dass der Evangelische Oberkirchenrat und der Ausschuss für Bildung und Jugend den Bildungsplan, der 2016 eingeführt worden soll, gebilligt haben: „Der kirchlichen Intervention gegen den enormen, aber von der Sache völlig unnötigen Zeitdruck und ein unausgegorenes Grundlagenpapier für alle Fächer mit additiven Leitprinzipien wurde vom Kultusministerium Rechnung getragen – nach Gesprächen im Kultusministerium, einem persönlichen Schreiben an Kultusminister Stoch vom Dezember 2013 und einer Presseerklärung der vier Kirchen.“ Bei den jetzt vorliegenden Leitperspektiven gehe es um die Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler für einen überlebensfähigen Kosmos (nachhaltige Entwicklung), um das gesellschaftliche Zusammenleben bei zunehmender Pluralisierung in allen Lebensbereichen (Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt), um die Stärkung des Einzelnen als Person und in seiner Gemeinschaftsfähigkeit (Prävention und Gesundheit) sowie um Medienbildung, Verbraucherbildung und Bildung für berufliche Orientierung. Das, so Baur, seien keine eigenen Unterrichtseinheiten, sondern Perspektiven, zu denen auch der Religionsunterricht einiges beitragen kann.
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Schwerpunkttag „Kirche – mehr als Gebäude. Verkündigung durch Raum, Bild und Wort.“
Bereits am Freitag hatte beim Schwerpunkttag „Kirche – mehr als Gebäude. Verkündigung durch Raum, Bild und Wort.“ Prof. Dr. Thomas Erne, Direktor des Marburger Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, darauf hingewiesen, dass Kirchen und Kapellen heute Konjunktur hätten - als Bau- oder Kunstdenkmal mit Millionenpublikum oder als Kapelle am Wanderweg: „Die Besucher kommen und erfahren die Kirchen religiös, spirituell, ästhetisch, auch politisch, etwa beim Kirchenasyl oder sozial in der Stuttgarter Vesperkirche.“ Die öffentliche Akzeptanz der Kirchen, so Erne, hänge auch an der Akzeptanz ihrer Bauwerke. Sie seien Orientierungskunstwerke, die nicht nur für die christliche, sondern auch für die bürgerliche Gemeinde eine hohe Bedeutung hätten. „Eine Kirche darf nur aufgegeben oder abgerissen werden, wenn stattdessen eine neue gebaut wird. Bei einer Aufgabe oder einem Abbruch ist der symbolische Verlust an öffentlicher Akzeptanz in der Regel höher als der wirtschaftliche Nutzen.“
EKD-Beauftragter: Medienvertrieb kirchlicher Inhalte größte Herausforderung
Der EKD-Medienbeauftragte Markus Bräuer sieht die Zukunft der Medien in Smartphone-kompatiblen Inhalten. Für die Kirche gelte: „Solange die klassischen Medien große Verbreitung haben, müssen kirchliche Inhalte gewissermaßen Huckepack über sie vermittelt werden.“ Als größte Herausforderung für die kirchliche Medienarbeit bezeichnete er den Vertrieb kirchlicher Inhalte. „Kirche muss noch stärker in den Social Media aktiv werden und ‚Verbreitungsredakteure' beschäftigen, die sich um den Vertrieb der Inhalte kümmern.“
Mit 10.000 Euro dotierter landeskirchlicher Kunstpreis angekündigt
Unter dem Titel „reForm“ schreibt die Evangelische Landeskirche in Württemberg zum zweiten Mal einen Kunstpreis aus. „Kirche und Kunst gehören zusammen. Sie leben von gegenseitigem Widerspruch und gegenseitiger Zustimmung. Das hat das regionale Kulturprogramm beim Kirchentag eindrucksvoll gezeigt. Deshalb streben wir eine vertiefte Zusammenarbeit mit Kunst und Künstlern an“, sagte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July am Freitag. Beim ersten landeskirchlichen Kunstpreis 2012 waren mehr als tausend Arbeiten eingereicht worden.
Situation von Flüchtlingen in den Herkunftsländern
Zum Auftakt am Donnerstag hatte sich die Landessynode mit der Situation von Flüchtlingen in den Herkunftsländern beschäftigt. Angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen erklärte Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel: „Es ist beides dringend notwendig: die rasche Nothilfe, um Leben zu retten, und die nachhaltige Aufbauhilfe, um Leben zu ermöglichen.“ Derzeit seien weltweit knapp 60 Mio. Menschen auf der Flucht – die höchste Zahl, die das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) je verzeichnet hat. Fast zwei Drittel der Flüchtenden blieben innerhalb ihres Landes und seien somit Binnenvertriebene. Das Land mit den meisten Flüchtlingen sei Syrien mit 3,9 Mio. Die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat Heckel zufolge die Türkei mit 1,6 Mio. Menschen.
Insgesamt hat die Württembergische Landessynode speziell für die Hilfe in den Herkunftsländern 1,53 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Viele der Projekte werden durch lokale Partner durchgeführt. „So erreichen wir oft auch solche Menschen, die von den großen Organisationen nicht erreicht werden“, betonte Heckel. „Wir brauchen beides: die Professionalität der großen Akteure und die Vor-Ort-Aktivitäten der einzelnen Kirchen. Beides ergänzt sich.“ Neben der Not- und Flüchtlingshilfe setze die Landeskirche zudem auf langfristige, nachhaltige Projekte zum Wiederaufbau vor Ort.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July warnte vor einer Ideologisierung der Flüchtlingsfrage: „Es macht mir große Sorgen, dass rechtsradikale Stimmen und Aktionen mehr werden. Rechtsradikale Stimmen und Aktionen haben mit dem erbitterten Widerstand der Württembergischen Landeskirche zu rechnen!“ July rechnet damit, dass die Flüchtlingsfrage noch viel schwieriger und längerfristiger als jetzt vorstellbar sei. „Für den anstehenden Flüchtlingsgipfel werbe ich dafür, dass die verschiedenen Kräfte im Land ihre Aktivitäten wirklich bündeln, koordinieren und sich zu einem Bündnis für Flüchtlinge zusammentun. Wir als Landeskirche sind weiter auf dem Weg, eine Flüchtlingsbereite, eine Flüchtlingsbegleitende Kirche zu werden.“
Kein Pfarrermangel zu erwarten
Zur Pfarrerversorgung in der Landeskirche stellte Oberkirchenrat Wolfgang Traub die aktuelle Personalstrukturplanung vor, ein Instrument zur Planung über drei Jahrzehnte. Demnach hatte die Landeskirche 2014 2.067 Personen im Dienst. Da die Zahl der Theologiestudierenden sich seit 2005 verdoppelt hat, ist die erforderliche Zahl von jährlich 46 Neuaufnahmen in den Pfarrdienst nicht gefährdet. Damit - und bei gleichzeitigem Rückgang der Kirchenmitglieder um jährlich rund ein Prozent - sei nicht nur die Versorgung mit Pfarrerinnen und Pfarrern gesichert, sondern nach gegenwärtigem Stand auch deren Finanzierung. Da die Zahl der Schülerinnen und Schüler weiterhin rückläufig sei, sei es jedoch nötig, weiter für das Theologiestudium zu werben. Der Vorsitzende des theologischen Ausschusses, Dr. Karl Hardecker, wies darauf hin, dass es wichtig sei, auch die Attraktivität des Pfarrdienstes für den Nachwuchs zu steigern, zum Beispiel durch die Entlastung von Verwaltungsaufgaben.
Zweiter Nachtragshaushalt 2015 verabschiedet
Am Donnerstagabend haben die Landessynodalen einstimmig den zweiten Nachtragshaushalt 2015 mit Mehrausgaben von 6,5 Mio. Euro beschlossen. Darin schlagen vor allem die EKD-Clearingzahlungen in Höhe von 6,4 Mio. Euro zu Buche. „Unsere Landeskirche muss Teile der höheren Kirchenlohnsteuereinnahmen an andere Landeskirchen weitergeben, weil die Mehreinnahmen auch von Kirchenmitgliedern kommen, die außerhalb von Württemberg leben“, erläuterte Finanzdezernent Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup. Dafür müssen für die Religionspädagogen im laufenden Jahr 1.045.900 Euro weniger ausgegeben werden als in der Personalstrukturplanung vorgesehen.
Mittelfristige Finanzplanung: 88 Mio. Euro mehr für Kirchengemeinden bis 2019
Nach der Mittelfristigen Finanzplanung werden die landeskirchlichen Budgets im kommenden Jahr um rund drei Prozent angehoben. Auch die Kirchengemeinden können mit einer dreiprozentigen Budgetsteigerung rechnen, die auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten werden soll. Zusammen mit Sondermitteln und Zinseinnahmen erhöht sich die Gesamtauszahlung an die Kirchengemeinden auf rund 235,4 Mio. Euro. „Zusammenfassend stehen den Kirchengemeinden mit den Ergänzungen bis 2019 zusätzliche 88 Mio. Euro gegenüber der ursprünglichen Eckwerte-Planung zur Verfügung“, erklärte Finanzdezernent Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup. „Erfreulich ist, dass auch die Maßnahmen des zweiten Nachtrags mehrheitlich aus Budget- oder Substanzerhaltungsrücklagen finanziert werden können“, betonte der stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses Kai Münzing.
Reformationsjubiläum
„Die Vorbereitungen für das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 haben Fahrt aufgenommen“, sagte Dr. Christiane Kohler-Weiß vor der Landessynode. Die Beauftragte der Landeskirche für das Reformationsjubiläum skizzierte Leitlinien für das Jubiläum „500 Jahre Reformation“. So soll das Reformationsjubiläum in der ganzen Landeskirche ankommen, im öffentlichen Raum wahrnehmbar sein und die Ökumene befördern. Inhaltlich wird das Thema Freiheit im Mittelpunkt des Jubiläumsjahrs 2016/2017 stehen. Die Öffentlichkeitsarbeit für das Reformationsjubiläum geschieht derzeit besonders durch den Ideenwettbewerb „Kirche macht was. Aus deiner Idee!“.
Stelle für Friedensbildung an Schulen beschlossen
Außerdem beschloss die Synode eine auf fünf Jahre befristete Religionspädagogenstelle ab 2016, um das Thema Friedensbildung an Schulen voranzutreiben. Zu den Aufgaben gehören die Entwicklung von Unterrichtsmaterial zur Friedensbildung und die Qualifizierung von Religionslehrkräften für und zur Friedenserziehung, so der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Jugend, Robby Höschele.
Hannelore Jessen neu in der Landessynode
Die Landessynode hat ein neues Mitglied: Die 1950 geborene Verwaltungsangestellte Hannelore Jessen aus Heilbronn gehört seit Donnerstag der Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg an. Sie rückt für Renate Schimmel nach, die im März überraschend im Alter von 67 Jahren gestorben war. Während Renate Schimmel dem Gesprächskreis "Evangelium und Kirche" angehörte, gehört Hannelore Jessen zur "Offene Kirche“.
Die nächste Tagung der Landessynode findet vom 23. bis 26. November 2015 im Hospitalhof in Stuttgart statt.