Bis vor etwa 15 Jahren habe sich der deutsche Protestantismus vor allem auf das göttliche Wort, die Bibel, konzentriert, sagte der evangelische Theologe und Pietismus-Experte dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seitdem sei in der Kirche der Wunsch nach mehr Gegenständlichkeit, nach neuen Formen von Spiritualität, gewachsen.
Diese "Veränderung in der theologischen Gesamtlage" zeige sich etwa im Engelkult. Auch der große Markt für Konfirmanden-Gaben mit seinen Kreuzen und Taubenfiguren und neue Gottesdienstformen wie Heilungsgottesdienste reflektierten die Sehnsucht vieler Christen nach sinnlichen Dimensionen des Glaubens, sagt Otte. Der Archivar ist auch Vorsitzender der Pietismuskommission, die die Geschichte der protestantischen Erneuerungs- und Frömmigkeitsbewegung des Pietismus erforscht. Die Kommission wird von den evangelischen Landeskirchen und der Union Evangelischer Kirchen getragen.
Auf die Gefühlswelt gläubiger Christen könnten religiöse Kunst- und Alltagsgegenstände anregend wirken, urteilt Otte. Abgelehnt würden solche Objekte meist dann, wenn sie subjektive ästhetische Grenzen überschritten.
Kritiker der Volksfrömmigkeit wandten meist ein, die Grenzen zur Esoterik seien fließend, sagt der Archivar: "Wenn es um Kultfiguren geht, wird der Protestant wach." In der evangelischen Kirche werde die Suche vieler Kirchenmitglieder nach neuen Frömmigkeitsformen aber kaum diskutiert. Diese Formen seien "okay, solange man es nicht übertreibt", urteilt Otte.