Sieben Jahrzehnte nach Kriegsende erlebe Europa neue Konflikte und Verwerfungen, heißt es in einem Wort des Präsidiums der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, das am Montag in Wien veröffentlicht wurde. Mit dem Konflikt in der Ost-Ukraine und der Besetzung der Krim sei der Krieg nach dem Balkankonflikt wieder nach Europa zurückgekehrt. Angesichts des Leids von Russen und Ukrainern im Zweiten Weltkrieg sollten alle Kräfte unterstützt werden, die einen verlässlichen Frieden fördern, mahnen die Kirchen.
In der Europäischen Union habe die Wirtschaftskrise zu sozialen Verwerfungen in einigen Mitgliedsländern geführt, die sich "gravierend und belastend" für das Verhältnis der EU-Staaten auswirken könnten, heißt es in dem Kirchen-Wort. Deshalb sollte am 8. Mai 2015 daran erinnert werden, dass der europäische Einigungsprozess keinesfalls allein wirtschaftlich begründet werden darf. Vielmehr gehe es um ein friedliches Zusammenleben in Europa, das auf Menschenwürde und -rechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Wohlfahrt und soziale Sicherheit für alle abziele. "Und dies gerade, weil Europa die ganz bittere Nachtseite eines totalen Krieges und der Vernichtung des Menschlichen durchlitten hat", argumentiert die Kirchengemeinschaft.
Die evangelischen Kirchen erinnern an die Millionen Opfer durch Krieg, Zwangsarbeit, Flucht und Vertreibung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Insbesondere im Blick auf die Vernichtung von sechs Millionen Juden habe ein erheblicher Teil der evangelischen Kirche versagt, heißt es in dem Text. Erst mit der "Erfahrung dieses Abgrunds" sei es zu einem Umdenken in den evangelischen Kirchen und der evangelischen Theologie über die Juden als auserwähltes Volk gekommen.
Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa vereint knapp 100 lutherische, methodistische, reformierte und unierte Kirchen und vertritt 50 Millionen Protestanten.
Europäische Protestanten warnen vor neuem Nationalismus
Europäische Protestanten warnen vor neuem Nationalismus
Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes warnen die evangelischen Kirchen in Europa vor neuem Nationalismus, der einer Einheit in versöhnter Vielfalt widerspreche.