Mit einem eindringlichen Appell zum Stopp des Flüchtlingssterbens im Mittelmeer ist die Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Ende gegangen. Wer am Sonntag Kantate singe, der wisse, "dass wir auch für die schreien müssen, die verfolgt werden, die heute bittere Not erleiden, die heute aus nackter Verzweiflung auf hoher See ihr Leben riskieren", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in seiner Predigt am Sonntag im Schlussgottesdienst in Würzburg.
Die Lage der Flüchtlinge weltweit war eines der beherrschenden Themen der viertägigen Beratungen bei der Frühjahrstagung der evangelischen Kirche. In ihrem ersten Beschluss hatte die neue Synode der EKD am Abend zuvor die Bundesregierung aufgefordert, wirksame Maßnahmen gegen das Massensterben von Flüchtlingen im Mittelmeer zu treffen. "Wir brauchen eine Asylpolitik, die Würde, Leib und Leben der Flüchtlinge schützt und dem Anspruch einer europäischen Wertegemeinschaft gerecht wird", heißt es in einem einmütig verabschiedeten Papier. Erforderlich seien unter anderem ein umfassendes europäisches Seenotrettungsprogramm in Nachfolge von "Mare Nostrum", ein umfassendes und ehrgeiziges europäisches Neuansiedlungsprogramm sowie mehr legale Wege für Schutzsuchende in die EU. Die Bundesregierung müsse aktiv an Alternativen zum problematischen "Dublin"-System arbeiten.
Klare Worte, klares Wahlergebnis: Bei der Konstituierung der Synode hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Einigkeit demonstriert. Das Kirchenparlament bestätigte zu Beginn seiner sechsjährigen Legislaturperiode Irmgard Schwaetzer als Präses mit deutlicher Mehrheit an der Spitze. Als Vizepräsides wurden Klaus Eberl und Elke König gewählt. "Das Wahlergebnis ist ein klares Signal der Geschlossenheit, für das ich den Synodalen danke", sagte Schwaetzer. "Dies ist ein guter Auftakt für eine EKD-Synode, in deren Legislaturperiode das große Jubiläum 500 Jahre Reformation fällt."
Und der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm gab am Samstag in Würzburg ein halbes Jahr nach seiner Wahl einen Bericht, der in seinen politischen Forderungen zur Lösung der weltweiten Flüchtlingskrisen kaum aktueller und konkreter hätte sein können. Zwar sei die "Kirche keine politische Institution", sagte der bayerische Landesbischof. Dennoch sei es geradezu ihre Pflicht, ethische Grundorientierungen herauszustellen. "Sie muss das auch dann tun, wenn sie nicht gleichzeitig ausgefeilte politische Konzepte vorlegen kann", sagte er, um in der Folge den Finger in die Wunde zu legen. Flüchtlingspolitik dürfe nicht nur kurzfristiges Krisenmanagement sein, forderte der 55 Jahre alte Sozialethiker. Künftig sollten alle Regierungsbeschlüsse einer "Eine-Welt-Verträglichkeitsprüfung" unterzogen werden, um zu klären, ob sie den Schwächsten auf der Welt schaden oder nutzen. Denn: Grund für die weltweiten Flüchtlingsströme seien Krieg und Gewalt sowie eine extreme Ungerechtigkeit in der Verteilung der weltweiten Ressourcen. Es bleibe ein "moralischer Skandal", dass jeden Tag 24.000 Menschen sterben, weil Nahrung und Medizin auf der Welt nicht gerecht verteilt seien, sagte Bedford-Strohm in seinem ersten Bericht an das Kirchenparlament.
Die Synodalen quittierten seine Rede mit starkem Applaus, der vermutlich deutlich länger angehalten hätte, wenn nicht das Ergebnis der Präseswahl zu verkünden gewesen wäre. 111 von 115 Stimmen erreichte die ehemalige FDP-Bundesministerin Schwaetzer. Die 73-Jährige wurde damit von der Synode dafür belohnt, dass sie das Parlament unaufgeregt und ohne erkennbare persönliche Ambitionen aus turbulenten Zeiten geführt hatte. Zwar gehörten nur etwa die Hälfte der Mitglieder der 12. EKD-Synode auch dem Vorgänger-Parlament an. Doch denen ist so manch unwürdiges Gezerre bei Wahlentscheidungen in Erinnerung.
So war auch Schwaetzer im November 2013 als Kompromisskandidatin an die Synodenspitze gelangt. Denn nachdem Katrin Göring-Eckardt wegen ihrer Spitzenämter bei den Grünen den Parlamentsvorsitz abgegeben hatte, war es dem CSU-Urgestein und bisherigen Vizepräses Günther Beckstein in zwei Wahlgängen nicht gelungen, die notwendige Stimmenmehrheit zu erreichen. In Würzburg nahm der 71-Jährige Abschied von der Synode - und konnte mit manch launig verpackter Bemerkung in der Morgenandacht am Samstag seine Verbitterung nicht vollends verbergen.
Als Mann der Zukunft für das oberste Spitzenamt in der EKD, den Ratsvorsitz, indes präsentierte sich Becksteins bayerischer Landsmann Bedford-Strohm. Ebenso wie Schwaetzer könnte auch er wiedergewählt werden - im November bei der EKD-Synode in Bremen. Dass er große Lust verspürt an dem Amt, strahlte der weltgewandte Theologe einmal mehr in Würzburg aus.
Die evangelische Kirche wolle geistliche Kraft und Orientierung für die Öffentlichkeit miteinander verbinden, sagte Bedford-Strohm, der neben den pointierten Aussagen zur Flüchtlingspolitik in seiner 35-minütigen Rede auch auf das 500. Reformationsjubiläum in zwei Jahren vorausblickte. Das Jubiläumsjahr sei "eine riesengroße Chance für uns als Kirche". Er wünsche sich, dass dabei "eine authentische öffentliche Kirche sichtbar wird, die ausstrahlt, wovon sie spricht". Und weiter: "Wer hätte das vor zehn Jahren gedacht: Der 31. Oktober 2017 soll deutschlandweit ein arbeitsfreier Tag sein. Beide Konfessionen wollen 500 Jahre Reformation als gemeinsames Christusfest feiern. Und schließlich: Wenn sich heute schon 50 Städte in 18 Ländern gemeinsam auf den Weg in Richtung 2017 machen, dann wird das Reformationsjubiläum auch hier in Deutschland deutlich internationaler als vor zehn Jahren zu hoffen war." Bedford-Strohm könnte bei einer erneuten Wahl zum Ratsvorsitzenden dabei eine Schlüsselrolle zukommen.
Schwerpunkthema der nächsten Synodentagung vom 8. bis 11. November in Bremen sind die Vorbereitungen zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. In Bremen wird dann auch der 15 Mitglieder zählende Rat neu gewählt. Ebenso wie bei der Synodenpräses Schwaetzer ist eine Wiederwahl Bedford-Strohms möglich, der vor einem halben Jahr dem aus persönlichen Gründen ausgeschiedenen Nikolaus Schneider gefolgte war. Als Präses der Synode gehört Schwaetzer dem Rat qua Amt an.