Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende verteidigte die Modernität der evangelischen Kirche: "Die russische Orthodoxie hat uns Protestanten ja immer wieder vorgeworfen, dass wir verwestlicht seien und die Tradition verrieten. Dagegen wehre ich mich. Wir sind tolerant aus Überzeugung." Dazu gehörten auch Frauenordination und die Akzeptanz von Homosexualität. Auf Käßmanns Wahl zur Ratsvorsitzenden Ende 2009 hatte die Russische Orthodoxe Kirche mit Aussetzung der zwischenkirchlichen Kontakte reagiert.
Die Theologin forderte zudem mehr Verständnis für Geschiedene: "Es gibt Verlässlichkeit, Vertrauen und Verantwortung auch außerhalb der Ehe." Den Ausschluss von Müttern unehelicher Kindern von der Kommunion kritisierte sie als Kirchenzucht: "In meinen Augen völlig verquer, weil Christus alle einlädt."
Kritisch äußerte sich die Reformationsbotschafterin zudem über fundamentalistische Strömungen in der eigenen Kirche. Über die Evangelikalen sagte sie: "Sie fürchten: Wenn wir nicht alle Wahrheiten festzurren, entgleiten uns die Geländer zum Festhalten." Gegen Fundamentalismus helfe jedoch nur kritischer Diskurs. In diesem Zusammenhang warb Käßmann für eine weltoffene und reformbereite Kirche: "Selber denken, auch in Glaubensfragen. Offen sein für Veränderung." Reformation heiße Fragen stellen. Gegen religiösen Fanatismus helfe nur ein angstfreier Glaube.