Politik und Kirchen dürften sich deshalb nicht so auf die konservativen Verbände fixieren, sagte der Islamexperte der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Friedmann Eißler, in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
"Wir müssen wegkommen von dem starren Blick auf die Islamverbände, die nur plus minus 20 Prozent der Muslime in Deutschland vertreten." Die im Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen Verbände würden "ein konservatives Islamverständnis vertreten, das tatsächlich in wichtigen Punkten einer neuen Ausrichtung im Kontext unserer Gesellschaft bedarf". Der Koordinationsrat besteht aus Vertretern des Zentralrates der Muslime, des Islamrates, des Verbandes der Islamischen Kulturzentren und der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib).
Mit Blick auf innerislamische Reformdiskussionen sagte Eißler, es gebe viele Künstler, Intellektuelle, Unternehmer und Politiker muslimischen Glaubens, die an einer Diskussion über den Islam im 21. Jahrhundert teilnehmen. Zudem drängten gerade jüngere Muslime in Deutschland auf die Studienplätze der vier Zentren für islamische Theologie.
Zu einem möglichen "Euro-Islam" sagte Eißler: "Es wird notwendig sein, dass die Muslime in ihren Organisationen und individuell die säkularen Rahmenbedingungen als die positive, notwendige Voraussetzung für echte Religionsfreiheit begreifen." Säkularität bedeute nicht Religionsfeindlichkeit, "wie Muslime es oft verstehen, sondern setzt die Spielregeln für das Mit- und Nebeneinander in der religiös-weltanschaulich pluralen Gesellschaft". Dies aktiv anzunehmen wäre genug "Euro-Islam", für viele Muslime sei dies auch eine Selbstverständlichkeit.
Dies beinhalte allerdings auch die eindeutige Erklärung, "welche Scharia-Regelungen damit ihre Geltung hier und heute verloren haben". Da die am lautesten hörbaren Islamverbände weit entfernt seien von derartigen Einsichten, sei er skeptisch, was die Entwicklung der nächsten Jahre angeht, sagte der Islamexperte.