Bedford-Strohm zum Kirchenasyl: "Gute humanitäre Tradition"

Bedford-Strohm zum Kirchenasyl: "Gute humanitäre Tradition"
Der Streit um das Kirchenasyl in Deutschland hält unvermindert an.

"Das Kirchenasyl ist eine gute humanitäre Tradition in unserem Land, die dem an Menschenwürde orientierten Geist unseres Rechts entspricht", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Ähnlich äußerte sich Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte den Kirchen vorgeworfen, das Kirchenasyl zu missbrauchen und sich über geltendes Recht hinwegzusetzen.

Bedford-Strohm wies insbesondere de Maizières umstrittenen Scharia-Vergleich zurück. "Mit der Scharia hat das nun wirklich gar nichts zu tun", äußerte der bayerische Landesbischof. Der Innenminister, der selbst evangelischer Christ ist, hatte im Zusammenhang mit dem Kirchenasyl gesagt, auch die Scharia als "eine Art Gesetz für Muslime" dürfe nicht über deutschen Gesetzen stehen. Zuvor hatte er sich "prinzipiell und fundamental" gegen den kirchlichen Flüchtlingsschutz gewandt.

Dem Recht eine Chance geben

Lilie erklärte am Freitag in Berlin, de Maizières Kritik verrate "ein bestürzend formales Verständnis des Rechtsstaats". Ein aktives Gemeinwesen lebe nicht nur von Richterrecht und Rechtsordnung, sondern auch von Regulativen der Zivilgesellschaft. Selbstverständlich sei die Kirche kein rechtsfreier Raum, ergänzte der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. "Aber Kirchen sind immer auch Schutzräume für Menschen in besonderen Notlagen gewesen."

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Menschen im Kirchenasyl hätten eine Anerkennungsquote von mehr als 75 Prozent, sagte Lilie weiter. "Damit kann von einer Unterwanderung rechtstaatlicher Prinzipien nicht ernsthaft die Rede sein". Auch die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel (59), verteidigte das Kirchenasyl. Es diene in erster Linie dazu, Rechte der Flüchtlinge geltend zu machen, erklärte sie in Hamburg. "Wir wollen dem Recht eine Chance geben."

Füllkrug-Weitzel würdigte zugleich auch die Anstrengungen der deutschen Kommunen beim Aufbau von Flüchtlingsunterkünften. Die zum Teil mangelhafte Ausstattung einiger Unterkünfte müsse mittelfristig aber behoben werden. "Wir dürfen uns an ein Absenken der Standards nicht gewöhnen." Vor allem Mädchen und Frauen brauchten eine geschützte Privatsphäre, die Übergriffe von Mitflüchtlingen oder Helfern verhindere. Sinnvoll sei es auch, Flüchtlinge aus verschiedenen Kulturkreisen zu trennen.

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Hintergrund des Streits ist die stark steigende Zahl der Kirchenasyle. Gegenwärtig gibt es mindestens 200 Fälle mit 359 Personen, darunter 109 Kinder. Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Die Praxis bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Das Migrations-Bundesamt will die Bedingungen für die Betroffenen verschärfen. Sie sollen für "flüchtig" erklärt werden, obwohl ihr Aufenthaltsort bekannt ist. Die Kirchen lehnen die geplanten Neuregelungen ab.