Freiwilligendienste zwischen Kommerz und Tourismus

Foto: Getty Images/iStockphoto/zakokor
Freiwilligendienste zwischen Kommerz und Tourismus
Als Freiwillige ins Ausland gehen, das machen viele. Doch mit wem und wohin ist die entscheidende Frage. Denn nicht alle Anbieter sind gleich, nicht alle sind seriös.

Tabea liegt voll im Trend: sechs Wochen lang war sie nach ihrem Abitur in Indien. Schule, Ausland, dann Studium: "Mir war es wichtig, etwas zu machen, mit dem ich Menschen helfen und meinen eigenen Horizont erweitern kann", sagt Tabea. Sie half in einer indischen Grundschule im Mathematik- und Englisch-Unterricht. Allein mit dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts, den das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 2008 ins Leben rief, reisten bislang etwa 20.000 Freiwillige zwischen 18 und 28 Jahren in 80 Länder. Dort engagierten sie sich ehrenamtlich etwa im Bereich von Schule und Bildung, Kultur und Sport, Menschenrechte und Frieden, Umwelt und Landwirtschaft.

30,5 Millionen Euro will das BMZ 2015 für weltwärts ausgeben. Längst gibt es neben den rund 180 entwicklungspolitisch tätigen Entsendeorganisationen, die als gemeinnützig anerkannt sind und nach Qualitätsgrundsätzen der Agentur Quifd arbeiten, etwa 400 kommerzielle Anbieter. In ihrem Angebot werben sie um junge Kunden mit touristisch attraktiven Zielen an denen man Gutes tun kann. Einer davon ist VoluNation, gegründet im Jahr 2005.

Zur Auswahl steht bei VoluNation die Mitarbeit in Schulen, Waisenhäusern, medizinischen Einrichtungen oder ökologischen Projekten, Hilfsangebote für Straßenkinder oder Fördereinrichtungen für Frauen. Pressesprecher Christoph Sonnenberg-Westeson sagt: "Die jungen Leute wollen helfen. Sie wollen eintauchen in eine fremde Kultur, Land und Leute kennenlernen, Freundschaft mit anderen Freiwilligen schließen, ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern."

"Marktlücke": schnelle Ausreise

Ganz vorn auf der Hitliste der Reiseziele stehen "Exoten" wie Südafrika, Nepal, Peru und Costa Rica. An Wochenenden haben die jungen Freiwilligen Gelegenheit, touristische Highlights kennenzulernen. So schwärmt etwa Benjamin, der als Fußballtrainer bei einem lokalen Verein in Ghana arbeitete und an einer Mädchenschule Englisch unterrichtet davon, dass "man wilde Tiere sieht oder sogar auf einem echten Krokodil sitzt und Affen mit Brot füttert".

Viele Freiwillige, so Christoph Sonnenberg-Westeson, bringen als Jugendleiter in Gemeinden oder Vereinen Erfahrung mit ehrenamtlichem Engagement und Bewusstsein für poltische und soziale Verhältnisse mit. Lässt sich so womöglich erklären, dass es bei VoluNation keine intensiven Vorbereitungsseminare gibt? "Jeder Freiwillige hat nach seiner Ankunft ein kurzes Vorbereitungsseminar. Mitarbeiter der Projektpartner bringen dort das wichtigste über Land, Kultur und die Projekte bei", so VoluNation-Mitarbeiterin Sophie Thiel. Wer genau die Projektpartner in den 15 Ländern Asiens, Afrikas und Mittel- und Lateinamerikas sind, mag Pressesprecher Sonnenberg-Westeson nicht preisgeben. Das sei "geheim".

Anders als bei der Ausreise mit gemeinnützigen Entsendeorganisationen ist bei vielen kommerziellen ein Einsatz nicht erst ab 18, sondern schon ab 17 Jahren und schon für einen Zeitraum von einer Woche möglich. Die Ausreise klappe manchmal schon innerhalb von zwei Wochen, was eine weitere Besonderheit bei VoluNation sei. Damit, so Christoph Sonnenberg-Westeson, habe man eine "Marktlücke" getroffen.

"Von kommerziellen Anbietern raten wir ab"

Natürlich hat die Reise mit einem kommerziellen Vermittler ihren Preis. Wie hoch der ist, wird oft erst bei der Anmeldung wirklich klar. Die Kosten für einen Reisevermittlungsvertrag inklusive Anmeldepauschale, Unterbringung und Betreuung vor Ort liegen bei VoluNation je nach Dauer und Einsatzland zwischen 335 Euro für eine Woche Nepal und 5960 Euro für 50 Wochen in einem südafrikanischen Township. Kosten für Flug, Visa und Versicherung kommen hinzu. Eine genaue Aufschlüsselung, wohin die Teilnehmerbeiträge fließen, dürfe man nicht veröffentlichen, sagt Mitarbeiterin Sophie Thiel. 90 bis 95 Prozent gingen aber ins Zielland.

Bei Freiwilligeneinsätzen über "weltwärts", die zwischen mindestens sechs und 24 Monate dauern, übernimmt das BMZ alle Kosten für Vorbereitungsseminare, Flug, Versicherungen und Taschengeld und es entstehen keinerlei Vermittlungsgebühren. Der bei vielen kommerziellen Anbietern mögliche kurze und kurzfristige Einsatz lässt Fachleute wie Rhoda Lynn Gregorio, Projektleiterin des entwicklungspolitischen Freiwilligenprogramms der Vereinten Evangelischen Mission, (VEM) allerdings die Stirn runzeln: "Es braucht Zeit, bis man in einer fremden Kultur angekommen ist. Wir haben 30 Jahre Erfahrung im Nord-Süd Freiwilligendienst. Sechs Monate sind aus unserer Sicht das Minimum, um in einer fremden Kultur anzukommen."

Anbieter gesetzlich geregelter Programme bieten deshalb Seminare von mindestens zwölf Tagen an. Zudem gibt es im Partnerland eine Einführung von mindestens fünf Tagen. Nach der Rückkehr bieten Seminare Gelegenheit zur Reflexion und zum Austausch mit anderen Freiwilligen. "Die kommerziellen Vermittler sparen bei der Vorbereitung und Begleitung der Freiwilligen, deshalb raten wir generell davon ab", so Robert Helm-Pleuger, langjähriger Projektkoordinator beim europäischen Jugendinformationsnetzwerk Eurodesk Deutschland.

Wie prüfe ich die Seriosität?

Wer mit einer weltwärts-Entsendeorganisation ausreist, soll im Vorfeld einen Unterstützerkreis von zehn bis 15 Spendern aufbauen, die sich bereiterklären, den Einsatz mit monatlich mindestens zehn Euro zu unterstützen. So bleibt der Freiwilligendienst weder Privatvergnügen noch "Volun-Tourismus", sondern hilft, Bewusstsein und Engagement zu schaffen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass ein noch so gut gemeinter Freiwilligeneinsatz womöglich lediglich ein folgenloser exotischer Urlaub in Armut und Elend bleibe, sagt Barbara Krämer, Referentin bei der Konferenz evangelischer Freiwilligendienste der EKD.

Robert Helm-Pleuger rät, die Seriosität der Anbieter von Freiwilligendiensten im Ausland mit Hilfe folgender Kriterien zu prüfen: Wie lange ist ein Anbieter schon auf dem Markt? Welche Kosten werden übernommen oder sind im Preis eingeschlossen? Wer zahlt Reisekosten, Unterbringung, Verpflegung, Versicherung und Visa? Gibt es vor Ort Beratung und Betreuung? Wie wird der Einsatz vor- und nachbereitet? Wer sind die Projektpartner im Ausland? Wohin fließt das Geld? Gibt es einen Dachverband, Qualitätssiegel und Standards?

Ab dem 16. März 2015 können alle Interessierten ihre Einsatzstelle für einen Freiwilligendienst in evangelischem Umfeld auf dem neuen Portal ein-jahr-freiwillig.de entdecken.