Pfarrer Max Kreidel ist einer der ersten am Tatort. Der Tote im Wäldchen hinter der katholischen Kirche ist nicht auf natürliche Weise gestorben – soviel steht schnell fest. Den Mörder zu finden ist eine Aufgabe, aber auch für die zwölfjährige Tochter des Opfers muss für den Übergang eine Bleibe gefunden werden. Trotz der Ereignisse geht auch der Pfarralltag weiter: Der Geburtstag der Vorsitzenden des Orgelbauvereins steht an.
Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Pfarrer immer wieder entscheidende Rollen in Verbrecherromanen spielen. "Ich habe viele Geschichten gelesen, in denen ein alter, knochiger Pfarrer vorkam. Gerade in skandinavischen Krimis sind es oft richtige Depri-Typen, die selbst in Verbrechen verwickelt sind", erinnert sich Kühl-Martini. "Bestimmt gibt es Theologen, die so sind – aber der Normalfall ist das nicht. Ich wollte in meinem Buch ein anderes Bild zeichnen." So ist Max Kreidel ein dem Leben zugewandter Geistlicher, der nicht nur sein Fahrrad, sondern auch die italienische Küche und Fast-Food liebt.
Pfarrerskind und Pfarrfrau
Anschauungsmaterial für das Leben von Pastoren hat Kühl-Martini ausreichend sammeln können: "In meiner Familie sind eigentlich alle Theologen oder Innenarchitekten. Geboren wurde ich in Bethel, gewickelt zwischen Herrnhuter Losung und der Lutherbibel." Als sie vier Jahre alt war, nahm ihr Vater eine Pfarrstelle in Lissabon an; zehn Jahre später zog die Familie nach Dortmund. Kühl-Martinis Erinnerungen an Portugal sind geprägt von der Zeit des Biafra-Krieges. "Flugzeuge vom Roten Kreuz durften damals nur in Lissabon landen und starten. Unser Pfarrhaus war die Zentrale der Reisenden. Piloten, Ärzte und Journalisten kamen zu uns, sogar ein paar Prominente wie Günter Grass und der alte Graf Luckner. Ich hatte von klein auf viele Begegnungen mit interessanten Menschen", so erzählt Kühl-Martini von ihrer Kindheit.
Heute lebt sie in Erkrath-Hochdahl, wo ihr Mann Lutz Martini seit 30 Jahren eine Pfarrstelle hat. Sie selbst hat sich gegen den Pfarrberuf entschieden: "Meine Eltern waren beide Theologen und eigentlich immer unterwegs. Mein Bruder und ich haben beide danach gestrebt, familiär zu sein." Gemeinsam hat das Theologenpaar drei Kinder großgezogen. "Unser ältester Sohn kam als Pflegekind zu uns. Er hat in der Nachbarschaft gelebt. Dort hat sich die Situation eines Tages so zugespitzt, dass wir völlig überraschend an Heilig Abend ein achtjähriges Kind bekommen haben", erinnert sich Kühl-Martini.
"Das Paradies währte nur kurz"
An Arbeitsmangel leidet sie auch heute, wo die Kinder groß sind, nicht. Als Pfarrfrau ist sie im Gemeindeleben aktiv und mit dem "Sandheimer Requiem" hat sie bereits ihr fünftes Buch geschrieben. Ihr erstes Werk – ein fiktiver Briefwechsel zwischen Marilyn Monroe und Papst Johannes XXIII. – ist bereits 1997 erschienen und wurde gleich in mehrere Sprachen übersetzt. Danach folgten Auftragsarbeiten – etwa über evangelische Frauen in Portugal und die entscheidenden Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten.
###mehr-links###"Die Idee für einen Krimi hatte ich schon vor Jahren – aber immer kam etwas dazwischen." Über Verbrechen zu schreiben ist für Dorothea Kühl-Martini kein Widerspruch zu ihrem Leben als Theologin: "Krimis befassen sich mit dem Bösen in allen erdenklichen Ausprägungen. Es geht um Sünde, Schuld und das Aufspüren des Schuldigen", erklärt sie. Diese Motive finden sich schon in der Genesis wieder: "Das Paradies währte nur kurz. Wenig später erschlägt Kain Abel aus Eifersucht – eines der gängigsten Motive in Mordfällen. Wenn man die Bibel liest, ist man schon mitten drin in den Krimis", führt die Theologin weiter aus.
Im Namen der Gerechtigkeit
"Kriminalromane sind auch deshalb beliebt, weil es am Ende eine Gerechtigkeit gibt – der Täter wird gefasst. Das ist etwas, was uns im echten Leben oft fehlt." Trotzdem ist es Kühl-Martini wichtig – und da ist sie ganz Theologin – dass der Täter nicht einfach nur böse ist. "Auch wenn man das Motiv am Ende verstehen kann, bleibt die Tat ja immer noch falsch." Für die Beschreibung der anderen Charaktere nimmt sich Kühl-Martini in ihrem Buch ebenfalls viel Zeit und beweist ihren feinen Beobachtungssinn. So oder so ähnlich werden schon einige Personen in einem der Pfarrhäuser aufgetreten sein, in denen die Autorin gelebt hat.
Amüsiert zeigt sie sich davon, dass sich gleich mehrere Damen in einer Figur wiedererkannt haben, die nicht gerade mit Sympathie behaftet ist. "Die riefen dann an und beschwerten sich, dass ich ihre Geschichte aufgeschrieben hätte – dabei kenne ich die Personen gar nicht richtig." Andere seien hingegen stolz, wenn sie in der einen oder anderen Form im Roman auftauchten.
Glaube und Krimi im Gottesdienst
In der Reihe "Gottesdienste in anderer Gestalt" in der Gemeinde in Erkrath-Hochdahl hat Kühl-Martini das Thema ebenfalls aufgegriffen und eine Predigt darüber gehalten, was Glaube und Krimis miteinander zu tun haben. "Zwischen Krimi und Theologie bestehen mehr Verbindungen als man zunächst ahnt. In beiden geht es um die Abgründe und Machenschaften der Menschheit", sagte sie der Gemeinde.
"Mit solchen Gottesdiensten kann man Glaube ja nochmal anders vermitteln. Oft kommen dann Leute, die sonst nie in der Kirche sind, weil sie sich für ein Thema interessieren und erleben, dass die Formen nicht immer ganz starr sein müssen." Dass das "Sandheimer Requiem" nicht ihr letzter Krimi bleiben wird, steht für Dorothea Kühl-Martini fest: "Ich fühl mich in dem Genre pudelwohl. Man kann Erlebtes aufarbeiten und zu einem guten Ende bringen." Eine Idee für eine neues Verbrechen hat sie bereits.