Als die Vatikanbank vor kurzem bekanntgab, dass sie zwei ihrer ehemaligen Manager angezeigt hat, brach das Geldinstitut ein Tabu. Denn wenn in der Vergangenheit Rücktritte an der Spitze des "Instituts für die religiösen Werke" (Istituto per le Opere di Religione, IOR) offensichtlich im Streit erfolgten, wurde nach außen die Form gewahrt. Seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus ist es mit der Rücksichtnahme auf Seilschaften und mit der traditionellen Geheimnistuerei vorbei.
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Der ehemalige IOR-Präsident Angelo Caloia weist den Vorwurf zwar zurück, er habe bei Immobilienverkäufen in die eigene Tasche gewirtschaftet. Als Chef der Mailänder Dombauhütte nahm der 75-Jährige nach Bekanntwerden der Anzeige dennoch seinen Hut. Für den "Papst vom Ende der Welt" bedroht der Verdacht, der Vatikan könne in Geldwäsche verwickelt sein, die Glaubwürdigkeit der ganzen Kirche.
Schon als die italienischen Behörden im vergangenen Jahr Nunzio Scarano und damit einen Ex-Rechnungsprüfer der vatikanischen Güterverwaltung APSA festsetzten, schlugen alle Glocken im Kirchenstaat Alarm. "Ich weiß nicht, wie das enden wird mit dem IOR", gestand Franziskus daraufhin ein - und schürte damit Spekulationen, die bis zu einer Auflösung des IOR reichten.
Nach der Verhaftung von Scarano richtete der Papst nicht nur eine Untersuchungskommission ein, die die Tätigkeit der Vatikanbank überprüfen sollte. Als Konsequenz aus einer fast unüberschaubaren Reihe von Skandalen richtete Franziskus als zentrale Finanzbehörde das vatikanische Wirtschaftssekretariat ein. Diesem stellte er als Kontrollorgan den neuen Wirtschaftsrat zur Seite. Das Sekretariat soll unter Leitung des australischen Kardinals George Pell künftig die Haushalte der Kurienbehörden überprüfen. Pell kündigte bereits an, vom kommenden Jahr an werde es im Vatikan überdies einen zentralen Rechnungsprüfer geben.
"Inkompetent, extravagant und leichte Beute für Diebe"
Gemeinsam mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx, der an der Spitze des Wirtschaftsrats steht, soll der als durchsetzungsfähig geltende Australier die Macht der italienischen Seilschaften im Vatikan brechen. Insbesondere in der bislang mächtigsten Kurienbehörde stieß Pell auf Widerstand. "Kongregationen, Räte und vor allem das Staatssekretariat verteidigten ihre Unabhängigkeit" berichtete der ehemalige Erzbischof von Sydney und bekannte ungewöhnlich freimütig, einzelne Behörden hätten "hunderte Millionen Euro auf Sonderkonten geparkt, die nicht in Bilanzen auftauchten".
Dabei habe es sich nicht um Schwarzgelder gehandelt, versicherte Vatikansprecher Federico Lombardi anschließend. Mangels eines strikten Regelwerks konnten die Vatikanfinanzen "auf ihrem Schlitterkurs moderne Buchhaltungsstandards schlicht ignorieren", erklärte Pell. Der Vatikan habe im Ruf einer "alten adligen Familie, die langsam in den Bankrott schlittert", gestanden. Die Mitarbeiter des Kirchenstaats, so der Kardinal, galten in Finanzfragen schlicht als "inkompetent, extravagant und leichte Beute für Diebe".
So zwielichtig das "Institut", so fragwürdig seine Kunden: Während Pell die Kurienfinanzen kontrolliert, ließ der noch unter Papst Benedikt XVI. ernannte IOR-Chef Ernst von Freyberg die Kunden der Vatikanbank durchleuchten. Mit Rückendeckung von Franziskus kontrollierten IOR-Mitarbeiter gemeinsam mit Fachleuten sämtliche Konten. Dabei stellte sich heraus, dass 3.000 der 19.000 Konten nicht den nötigen Anforderungen entsprachen, wie es dezent hieß. Fortan dürfen nur noch Geistliche, kirchliche Institutionen, aktive und ehemalige Vatikanmitarbeiter sowie Diplomaten, die beim Heiligen Stuhl akkreditiert sind, Kunden der Vatikanbank sein.
"Wir werden als jemand gesehen, der genauso wie die italienischen Behörden dem Recht Geltung verschaffen will", fasste von Freyberg die Reaktionen auf die spektakulären Maßnahmen zusammen. "Das ist ganz anders als in der Vergangenheit." Mit neuen Statuten stärkte Franziskus auch die bereits 2010 von seinem Vorgänger eingerichtete vatikanische Finanzaufsicht. Das AIF (Autorità di Informazione Finanziaria) kann nun auch auf eigene Initiative Kontrollen vornehmen. An der Spitze steht überdies nicht mehr ein Kardinal, sondern der als "James Bond der Finanzwelt" bekannte Schweizer René Brülhart.