EKD-Ratsvorsitzender: Flüchtlingssterben ist Schande für Europa

Foto: dpa/Italian Navy Press Office
EKD-Ratsvorsitzender: Flüchtlingssterben ist Schande für Europa
Der neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat den Umgang mit Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen scharf verurteilt.

Es sei eine Schande, dass in diesem Jahr bereits mehrere tausend Bootsflüchtlinge im Mittelmeer gestorben seien, sagte er am Dienstagabend in Brüssel. Anstatt sich abzuschotten und an Geldern für Seenotrettung zu sparen, müsse die EU eine "offene und konstruktive Debatte über mehr legale Wege für Schutzsuchende nach Europa" führen, verlangte der Theologe. Nach Angaben von Migrationsfachleuten liegt die Zahl der toten Flüchtlinge im Mittelmeer allein in diesem Jahr bei mindestens 3.000.

###mehr-artikel###Bedford-Strohm hielt sich zu seinem Antrittsbesuch in Brüssel auf. Am Abend sprach er als Hauptredner beim ökumenischen Brüsseler Jahresempfang der EKD und der katholischen Kirche. "Europa als der reichste Kontinent der Welt darf sich selbst nicht genug sein", unterstrich der Ratsvorsitzende. Es reiche nicht aus, auf die notwendige Überwindung der Fluchtursachen am Herkunftsort zu verweisen: "Solche Überwindung der Fluchtursachen ist zwar dringend nötig, aber sie ersetzt nicht den verantwortungsvollen Umgang mit der Not der Flüchtlinge, die jetzt hier Zuflucht suchen."

Bedford-Strohm fordert Debatte über legale Einreisewege

Europa sehe Flüchtlinge im Moment hauptsächlich als Last, obgleich der alternde Kontinent durch sie auch wirtschaftliche Chancen habe, gab Bedford-Strohm zu bedenken. Die allermeisten Menschen seien hoch motiviert, sich in ihrem Zufluchtsland aktiv und produktiv einzubringen. Viele seien gut ausgebildet und begriffen Europa als Chance für einen Neuanfang, unterstrich der bayerische Landesbischof. "Nur vier Prozent der Flüchtlinge sind über 60 Jahre alt, hingegen 50 Prozent höchstens 18."

In seiner Rede ging Bedford-Strohm auch auf die derzeitige EU-Debatte über Steuerschlupflöcher für Konzerne ein. "Es geht nicht, dass Europa sich seit Jahren seine eigenen Steueroasen leistet", kritisierte er. In seinen Augen müssten Konzerne stärker herangezogen werden, "die von Europas Bürgern finanzierte Infrastruktur nutzen, die mit europäischen Steuergeldern ausgebildete Arbeitnehmer beschäftigen und die indirekt von allen Maßnahmen profitiert haben, die die europäische Wirtschaft vor einem noch tieferen Absturz zu schützen vermochten". Bedford-Strohm forderte auch einen entschiedeneren Kampf gegen Armut und Jugendarbeitslosigkeit in Europa.

Am Dienstagnachmittag war der EKD-Ratsvorsitzende in Brüssel mit dem EU-Kommissar für Digitalwirtschaft, Günther Oettinger (CDU), EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) und dem Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei im Parlament, Manfred Weber (CSU), zusammengetroffen. Bedford-Strohm steht seit Mitte November als Nachfolger von Nikolaus Schneider an der Spitze der mehr als 23 Millionen deutschen Protestanten.