Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat am Sonntag den "Tutzinger Löwen" der Evangelischen Akademie Tutzing erhalten. Mit der Bronzeplastik solle Knoblochs Engagement "für eine jüdische Gegenwart und Zukunft in Deutschland", ihr Einsatz für Versöhnung sowie ihr unbeugsames Eintreten gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus gewürdigt werden, sagte Akademie-Direktor Udo Hahn.
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Knobloch rief in ihrer "Kanzelrede" in der Münchner Erlöserkirche dazu auf, aus dem "Supergedenkjahr" 2014 praktische Konsequenzen für Politik und Gesellschaft zu ziehen. Die Erinnerung an die beiden Weltkriege und die NS-Zeit dürfe nicht in der Vergangenheit verharren, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Zu den Konsequenzen gehöre vor allem ein eindeutiges Eintreten der Mehrheitsgesellschaft gegen radikale Ideologien, wie von Islamisten oder Rechtsradikalen. Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, dass sich eine Parallelgesellschaft etabliere, in der die rechtsstaatlichen Normen nicht mehr gelten.
Jüdische Menschen "nachhaltig verunsichert"
Durch die Übergriffe und gewaltsamen Demonstrationen in diesem Sommer gegen Israel und das Judentum seien die jüdischen Menschen "nachhaltig verunsichert", sagte Knobloch. "Wir hatten erwartet, dass die Menschen hierzulande entschlossen widersprechen, wenn ihre jüdischen Bürger Opfer übelster verbaler und gewaltsamer Anfeindungen werden", sagte Knobloch. Durch diesen ungezügelten Antisemitismus sei auch die gesamte freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet.
Die Preisverleihung fiel auf den 76. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938. Knobloch erlebte im Alter von fünf Jahren die Übergriffe der Nationalsozialisten in ihrer Heimatstadt München mit. Die NS-Zeit überlebte sie bei einer katholischen Familie in Franken, die sie als ihr uneheliches Kind ausgab.
Der "Tutzinger Löwe" wird an Persönlichkeiten verliehen, die für Toleranz und Weltoffenheit eintreten. Bisherige Preisträger sind unter anderem Altkanzler Helmut Kohl (CDU), die frühere FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, der Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker (1912-2007) sowie die früheren bayerischen Landesbischöfe Hermann von Loewenich (1931-2008) und Johannes Friedrich.