Pfarrer im Libanon: Flüchtlinge brauchen medizinische Hilfe

Pfarrer im Libanon: Flüchtlinge brauchen medizinische Hilfe
Die extrem hohen Flüchtlingszahlen in dem syrischen Nachbarland führen unter anderem dazu, dass längt überwunden geglaubte Krankheiten wieder auftreten. Im Libanon leben rund 50.000 evangelische Christen.

Die knapp zwei Millionen Flüchtlinge im Libanon benötigen nach den Worten des Beiruter evangelischen Pfarrers Habib Badr vor allem medizinische Hilfe. Längst überwundene Krankheiten wie Polio und Hepatitis A seien nun wieder aufgetreten, sagte er am Dienstag in Frankfurt. Die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak lebten unter "unglaublich schwierigen Bedingungen". Zudem bekämpften sich Anhänger und Gegner des syrischen Machthabers Baschar al-Assad auch im Libanon. Badr ist leitender Pfarrer der Nationalen Evangelischen Kirche mit Sitz in Beirut.

Deutschland hatte in der vergangenen Woche bei der Syrien-Flüchtlingskonferenz in Berlin eine Aufstockung seiner Hilfsleistungen angekündigt. Bis Jahresende sollen zusätzlich 140 Millionen Euro in Projekte vor allem in Jordanien, im Libanon und im Nordirak fließen. Für 2015 bis 2017 plant die Bundesregierung mindestens weitere 500 Millionen Euro für die Syrienhilfe. Der Bürgerkrieg tobt dort seit fast drei Jahren. Bisher starben knapp 200.000 Menschen, rund neun Millionen sind auf der Flucht. 1,2 Millionen von ihnen befinden sich im Libanon. Dazu kommen mehrere hunderttausend Menschen aus dem Irak.

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Badr sagte, die Christen im Libanon seien ängstlich und verunsichert. Die Terroristen des "Islamischen Staates" (IS) hätten ein Auge auf das Land, "möglicherweise auch auf Jordanien". Die IS-Kämpfer hatten in den vergangenen Monaten weite Teile Syriens und des Nordirak erobert und ein Kalifat errichtet. Auch viele junge Muslime aus dem Libanon gingen freiwillig zu den Terroristen, unterstrich der evangelische Pfarrer. In Städten wie Beirut, Tripoli oder Sidon gebe es ein "freundliches Umfeld" für Radikale.

Das christlich-muslimische Zusammenleben im Libanon habe bisher gut funktioniert, unterstrich Badr. Zurzeit gebe es aber viele Diskussionen über die künftige Machtverteilung. In dem Land leben knapp 60 Prozent Muslime, die Christen bilden eine starke Minderheit. Laut Verfassung muss der libanesische Staatspräsident Christ sein; da sich die Religionsgruppen nicht auf einen Nachfolger verständigen können, ist diese Position seit Monaten unbesetzt.

Die Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition auf den IS in Syrien nannte Badr ein "notwendiges Übel". Doch man müsse auch die Wurzeln des Terrors bekämpfen und vor allem eine Kultur entwickeln, in der Andersgläubige akzeptiert würden. Ländern wie Saudi-Arabien oder Katar warf der Geistliche vor, die Dschihadisten "direkt oder indirekt" zu unterstützen. Ein Sieg des moderaten Islam gegen die Radikalen sei absolut unverzichtbar, ergänzte der 64-Jährige. "Das erreichen wir nicht durch Bomben."

Im Libanon leben nach Badrs Angaben zwischen 40.000 und 50.000 evangelische Christen. Viele seien in den vergangenen Jahrzehnten ausgewandert. Der Beiruter Geistliche ist auch stellvertretender Missionsratsvorsitzender der Evangelische Mission in Solidarität. Die Gemeinschaft setzt sich weltweit für Menschen in Not ein. "In Syrien drohen Zustände wie einst in Kambodscha unter den Roten Khmer", sagte Generalsekretär Jürgen Reichel. Unter der Herrschaft der maoistischen Roten Khmer starben in den 1970er Jahren rund zwei Millionen Kambodschaner.