Asylbewerber und Geduldete sollen sich künftig in Deutschland freier bewegen können und früher die Chance auf einen Job bekommen. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg. Die Erleichterungen hatte die Bundesregierung mit den Ländern vereinbart. Im Gegenzug hatte der Bundesrat der Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten zugestimmt.
Dem Kompromiss zufolge entfällt künftig nach drei Monaten Aufenthalt die sogenannte Residenzpflicht, die den Bewegungsradius von Flüchtlingen eingrenzt. Für Asylbewerber und Geduldete gilt aber weiterhin eine Wohnsitzauflage. Sie kann in Einzelfällen entfallen, beispielsweise bei einem Umzug zu Familienmitgliedern oder für einen Job. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) begründet die Wohnsitzauflage mit einer fairen Lastenverteilung zwischen den Bundesländern, die für die Sozialleistungen aufkommen. So soll sichergegangen werden, dass nicht in einzelnen Regionen überproportional viele Flüchtlinge sind.
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Ebenfalls entfallen soll auch das Sachleistungsprinzip. Flüchtlinge sollen künftig, sobald sie nicht mehr in einer Sammelunterkunft leben, vorrangig Geld anstelle von Gutscheinen bekommen. De Maizière zufolge können allerdings die Länder entscheiden, ob sie beim Sachleistungsprinzip bleiben wollen.
Besonders umstritten war die Einschränkung der Vorrangprüfung, nach der Arbeitgeber Stellen erst mit einem Asylbewerber besetzen durften, wenn sich kein geeigneter Deutscher oder EU-Bürger fand. Sie wird künftig auf 15 Monate nach Ankunft in Deutschland befristet. Für Flüchtlinge und seit langem als Geduldete in Deutschland lebende Menschen soll sie ganz entfallen, wenn Qualifikationen in Mangelberufen vorliegen.
Bislang hatte das Innenministerium strikt abgelehnt, die Werbung für Fachkräfte im Ausland und das Asylsystem zu vermengen. Es sei "schon eine Veränderung", sagte de Maizière in Berlin. Ohne die Notwendigkeit zu einem Kompromiss "hätte es diese Änderung vielleicht auch nicht gegeben", sagte er.
Der Minister ergänzte, es gebe weiter Vorbehalte gegen die Regelung, weil es die Befürchtung gibt, dass die Chance auf Arbeit in Deutschland mehr Flüchtlinge anzieht. "Diesen Sog-Effekt können wir nicht genau einschätzen", sagte er. Deswegen werde die neue Regelung auf drei Jahre begrenzt und dann evaluiert. Zudem unterstrich er, es bleibe dabei, dass Asylpolitik kein geeignetes Instrument für die Lösung des Fachkräfte-Problems sei: "Asylrecht ist keine verkappte Zuwanderungspolitik." Wenn aber jemand bereits da sei und entsprechende Qualifikationen habe, solle er auch arbeiten.
Nach den Worten des Innenministers wird mit den Regelungen der Asyl-Kompromiss, der maßgeblich von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ausgehandelt wurde, "eins zu eins" umgesetzt. Er erwarte nun auch, dass die Regelungen auch im Bundesrat Zustimmung finden würden, sagte de Maizière. Nach seinen Angaben soll über das Gesetz nun zügig im Bundestag und Bundesrat beraten werden. Eventuell steht der Kompromiss bereits am 7. November auf der Tagesordnung des Bundesrats.
Der Linksfraktion im Bundestag gehen die Änderungen nicht weit genug. Die flüchtlingspolitische Sprecherin Ulla Jelpke kritisierte, selbst bei kleinsten Straftaten könnten die Behörden weiterhin Einschränkungen der Bewegungsfreiheit anordnen. Einzelne Lockerungen ließen die Diskriminierung von Flüchtlingen unangetastet. "Diese Diskriminierung muss beendet werden", sagte Jelpke.