Vor der Syrien-Konferenz am Dienstag in Berlin haben Politiker und Hilfsorganisationen mehr internationale Unterstützung für syrische Flüchtlinge angemahnt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bezeichnete die Lage der Flüchtlinge als "Jahrhundertkatastrophe". Vor allem die Situation der Kinder und Familien in den Lagern müsse in den Fokus gerückt werden, sagte Müller am Montag. "Jetzt kommt der Winter, dann kommt die Kälte und der Tod für diese Menschen." Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms (WFP) fehlt Geld zur Versorgung der notleidenden Menschen. 1,9 Milliarden Dollar würden für dieses Jahr benötigt, bislang seien erst 755 Millionen Dollar zugesagt worden, teilte das WFP mit.
Zu der Konferenz in Berlin kommen Vertreter von 40 Staaten und internationalen Organisationen zusammen. Eingeladen haben Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Entwicklungsminister Müller und UN-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres.
Müller zufolge haben die Gewalttaten der islamistischen Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) die Lage noch verschärft. Tausende Angehörige von Minderheiten wie den Jesiden seien in den Nordirak geflohen und müssten auf dem Boden lagern. Er forderte die Nothilfe aufzustocken, aber auch langfristige Unterstützung nicht aus dem Blick zu verlieren.
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Als Beispiel nannte der CSU-Politiker, die Maßnahmen für traumatisierte Kinder und Frauen zu verstärken. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind unter den bisher rund 200.000 Kriegstoten Syriens etwa 9.000 Kinder. Seit Kriegsbeginn im Frühjahr 2011 sind etwa 70.000 Kinder auf der Flucht geboren. Rund 1,6 Millionen Kinder sind in die Nachbarstaaten Jordanien, Libanon, den Irak, die Türkei und Ägypten geflohen.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen warnte vor den Folgen fehlender Hilfsgelder. "Wenn wir nicht umgehend Hilfen bekommen, müssen die Essensrationen für die Flüchtlinge bereits ab November reduziert werden", sagte der WFP-Nothilfekoordinator für Syrien, Muhannad Hadi, dem epd. "Wir dürfen das syrische Volk nicht allein lassen." Die Gefahr sei groß, dass sich Terrorgruppen das Schicksal der Menschen zunutze machten.
Mehr als drei Millionen Syrer auf der Flucht
Entwicklungsorganisationen erinnerten daran, dass erst die Hälfte der versprochenen Hilfszusagen für Syrien und die Nachbarländer geflossen seien. Jordanien, Libanon und die Türkei stießen aber bei der Aufnahme syrischer Flüchtlingen zunehmend an ihre Grenzen, erklärte Mathias Mogge, Vorstandsmitglied des Verbands Entwicklungspolitik (Venro), der 120 private und kirchliche Organisationen repräsentiert. Zugleich forderte er von der Konferenz neue Anstrengungen für Friedensgespräche. Notwendig seien ein "politischer Schulterschluss".
Nach Ansicht des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), müssen auch mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Katar Strategien entwickelt werden. "Alle politischen Akteure müssen sich gegenseitig gut zuhören." Zugleich räumte er ein, dass die Staatengemeinschaft die Syrien-Flüchtlingskrise unterschätzt habe. Mit der Anzahl der Menschen und mit der Dauer der Krise habe man nicht gerechnet, sagte Strässer.
Indes sprach sich die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, für ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik aus. Es müsse "mehr Möglichkeiten der sicheren und legalen Einreise nach Europa" geben, schrieb sie in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Um eine sichere Ankunft zu ermöglichen, solle die EU "humanitäre Visa für syrische Flüchtlinge" einführen.
Seit Ausbruch des Bürgerkriegs im Frühjahr 2011 sind nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als drei Millionen Menschen aus Syrien geflohen - vor allem in die angrenzenden Staaten. Im Libanon leben mehr als 1,1 Millionen Flüchtlinge, auch die Türkei hat über eine Million Menschen aufgenommen. In Jordanien haben mehr als 600.000 Männer, Frauen und Kinder Zuflucht gefunden.