Historiker: Jugendlicher Widerstand gegen NS-System bleibt beispielhaft

Historiker: Jugendlicher Widerstand gegen NS-System bleibt beispielhaft
Der Widerstand unangepasster Jugendgruppen gegen das NS-Regime sollte nach Worten des Kölner Historikers Martin Rüther stärker gewürdigt werden.
27.10.2014
epd
Dirk Baas

Trotz drohender Sanktionen hätten sich viele Jugendliche einer der verbotenen Gruppen wie den "Navajos", "Edelweißpiraten" oder den "Meuten" angeschlossen. Das sei bis heute beispielhaft, sagte der Mitarbeiter des Kölner NS-Dokumentationszentrums dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Oft in bündischer und konfessioneller Tradition widersetzten sich die Jugendlichen der Allmacht der "Hitlerjugend". Sie unternahmen Zeltlager und sangen verbotene Lieder, hörten aber auch Feindsender ab und verteilten Flugblätter mit antinazistischem Inhalt.

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In Köln seien solche Jugendliche bis ins 21. Jahrhundert hinein in weiten Kreisen als ungebildete "Kraade" diffamiert worden, sagte Rüther. "Vorschnell wurde ihnen jedes politische Denken und Handeln abgesprochen - nicht selten von jenen, die das NS-Regime zumindest indirekt unterstützt hatten."

Am 10. November jährt sich die Hinrichtung des 16-jährigen "Edelweißpiraten" Bartholomäus Schink in Köln-Ehrenfeld zum 70. Mal. Darüber, ob er und seine Mitstreiter als Kriminelle oder als Widerständler einzuordnen seien, gab es jahrzehntelang Streit. Mittlerweile sei in der Frage "eine gewisse Beruhigung" eingetreten, sagte Rüther. Er bezweifelt aber, dass die Kontroverse über die Einordnung der Edelweißpiraten in den NS-Widerstand endgültig beigelegt ist.

"Edelweißpiraten" existierten im gesamten Reich. Schätzungen zufolge hatten sie mehrere tausend Anhänger im Alter zwischen 14 und 17 Jahren.

Rüther begrüßte den "deutlichen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung" der "Edelweißpiraten" in jüngster Zeit, ausgelöst durch eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum 2004 und dem daraus entstandenen jährlichen "Edelweißpiratenfestival", einem Kölner Musikfest. 1984 wurden auch die Edelweißpiraten Wolfgang Schwarz, Jean Jülich und posthum Bartholomäus Schink in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit der "Medaille der Gerechten" ausgezeichnet.

Der Experte erinnerte daran, dass die historische Forschung stets ein Produkt der jeweiligen gesellschaftlichen Stimmung sei. "Und die war in der Bundesrepublik bis weit in die 60er Jahre von Verdrängung der NS-Vergangenheit geprägt." Selbst die meisten der in der NS-Zeit unangepassten Jugendlichen hätten über Jahrzehnte nicht an ihrer eigenen Vergangenheit gerührt.