Wirtschaftliche Aspekte könnten dazu führen, dass Kranke über- oder unterversorgt werden, sagte die Vorsitzende des Ethikrates, Christiane Woopen, in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Sie verwies auf eine Umfrage der Universität Duisburg-Essen, wonach fast die Hälfte der befragten Chefärzte häufig Konflikte zwischen ärztlichen und wirtschaftlichen Zielen sieht. Mit diesem Thema beschäftigt sich der Ethikrat an diesem Mittwoch auf seiner Herbsttagung in Dresden.
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"Die Aufgabe besteht darin, Ethik und Ökonomie zusammenzubringen", unterstrich Woopen. Ziel müsse das Wohl des Patienten sein. Allerdings seien durch die immer älter werdende Bevölkerung, den medizinischen Fortschritt und die gestiegene Zahl chronisch Kranker die finanziellen Belastungen des Gesundheitssystems deutlich gestiegen. Hinzu komme der Investitionsstau an Kliniken, der teilweise mit Geldern aufgefangen werde, die ursprünglich für die Versorgung von Patienten vorgesehen waren, sagte die Medizinethikerin.
Nach Ansicht von Woopen würde sich die Lage der Krankenhäuser etwas entspannen, wenn der Bund die Kliniken bei ihren Ausgaben für Investitionen mehr unterstützt. Zugleich äußerte sie Bedenken, dass allein eine Abkehr von dem seit 2003 geltenden Fallpauschalensystem das Gesundheitssystem entlasten würde. In den Jahren zuvor rechneten Kliniken die Anzahl der Krankenhaustage eines Patienten ab. Es sei "sicher auch nicht immer zum Wohle des Patienten gewesen, ihn länger als nötig stationär zu halten", sagte Woopen. Sie betonte, jedes Vergütungssystem bringe immer bestimmte Anreize mit sich.
Nach Ansicht der Ethikrat-Vorsitzenden sollten Kliniken stärker nach Qualität bezahlt werden - so wie es die Bundesregierung aktuell plant. "Die Bedarfsplanung der Krankenhäuser und die Bezahlung ihrer Leistungen sollte so weiterentwickelt werden, dass künftig das Kriterium Qualität eine entscheidende Rolle spielt - am besten ergänzt um Kriterien der Patientenorientierung", forderte Woopen.
Selbst wenn Ärzten wenig Zeit für den einzelnen Kranken bleibt, ist es ihre Aufgabe, "die innere Achtsamkeit gegenüber ihren Patienten zu wahren", mahnte die Medizinerin. Das Einfühlungsvermögen und die auf das Wohl des Patienten auszurichtende Grundhaltung müsse in der Ausbildung von Ärzten stärker gefördert werden. Zugleich warnte Woopen vor einer generellen "Krankenhaus-Schelte". Viele Ärzte und Pfleger leisteten hervorragende Arbeit, indem sie Patienten "rund um die Uhr hervorragend und mit großem Engagement betreuen".