Mit eindringlichen Appellen zur Verteidigung der Demokratie ist am Donnerstag in Leipzig an die friedliche Revolution in der DDR erinnert worden. 25 Jahre nach der entscheidenden Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989 hatte Bundespräsident Joachim Gauck dazu auch seine Amtskollegen aus Ungarn, Polen sowie der Slowakischen und der Tschechischen Republik eingeladen. In seiner "Rede zur Demokratie" mahnte Gauck vor 1.700 Gästen im Leipziger Gewandhaus, die von DDR-Bürgern erkämpfte Freiheit und Demokratie im ganzen Land zu verteidigen. Am Nachmittag sollte mit einem Friedensgebet an die Ereignisse vom Herbst 1989 erinnert werden. Für den Abend lud die Stadt alle Bürger zum Lichtfest ein.
Am 9. Oktober 1989 waren rund 70.000 Menschen nach dem traditionellen Friedensgebet in der Nikolaikirche um den Leipziger Innenstadtring gezogen. Trotz der vorherigen Mobilmachung von Volkspolizei und Militär blieb die bis dahin größte Demonstration gegen das SED-Regime friedlich.
"Wir würden den alten Ruf 'Wir sind das Volk' nur halb verstehen, vielleicht gar entwerten, wären wir der Meinung, er hätte nur Gültigkeit für die Zeit der friedlichen Revolution", sagte Gauck: "Wir dürfen niemals vergessen, dass unsere Demokratie nicht nur bedroht ist von Extremisten und Fanatikern, von Ideologen, sondern dass sie ausgehöhlt werden und ausdörren kann, wenn die Bürger sie nicht mit Leben erfüllen." Der Bundespräsident rief dazu auf, sich zu engagieren, etwa in Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Vereinen oder der Nachbarschaftshilfe.
Gauck sagte, es freue ihn, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen die Wiedervereinigung positiv bewerte. Die deutsch-deutschen Spannungen seien erkennbar zurückgegangen. "Die Nation wächst zusammen. Die Einheit gelingt", sagte das Staatsoberhaupt. Gauck, der als evangelischer Pfarrer in Rostock vor 25 Jahren selbst in der DDR-Opposition engagiert war, würdigte in seiner Festrede auch damalige Bürgerrechtler wie Christian Führer, Rainer Eppelmann, Ulrike Poppe und Roland Jahn. Gleichzeitig erinnerte er an diejenigen, die die DDR im Herbst 1989 verließen oder ausreisen wollten.
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Gauck schlug auch einen Bogen zu den Demokratiebewegungen in Mittelosteuropa, in Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei. Damit gebe es "ein starkes Band", das zusammenhalte, betonte der Bundespräsident. Alle vereine "die Erfahrung der Sehnsucht nach Freiheit und die Genugtuung, sie errungen zu haben". Zur aktuellen Diskussion über den Charakter der DDR sagte Gauck, sie sei ein Unrechtsstaat gewesen: "Es gab keine unabhängige Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichte oder ein Verfassungsgericht existierten nicht, Willkür regierte das Land."
Gauck machte in seiner Rede zudem erneut deutlich, dass der 9. Oktober für ihn das zentrale Datum der friedlichen Revolution in der DDR ist. Zwar habe die epochale Zäsur von 1989 im Fall der Mauer am 9. November ihr wichtigstes Symbol gefunden. Aber ohne den 9. Oktober 1989 hätte es keinen 9. November gegeben. "Vor der Einheit kam die Freiheit", unterstrich Gauck.
Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Landtagspräsident Matthias Rößler (beide CDU) erinnerten an zentrale Wegmarken der damaligen Umbrüche und ihre Bedeutung bis heute. Regierungschef Tillich betonte, die Demokratie sei 1989 für viele Menschen eine Verheißung gewesen. Heute sähen indes viele nur noch "die Mühen der Ebene" und es erscheine ihnen zu mühselig, selbst mit anzupacken, sagte er unter Hinweis auf die geringe Beteiligung bei der sächsischen Landtagswahl Ende August.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte, die Formel "Wir sind das Volk!" habe die Welt verändert. Am 9. Oktober vor 25 Jahren sei in Leipzig Geschichte geschrieben worden. Im Bewusstsein der Menschen sollte sich das Datum daher in die Reihe der großen europäischen Freiheitsbewegungen einordnen.