Der Deutsche Ethikrat hat sich für die Aufhebung des Inzestverbots bei Geschwistern ausgesprochen. In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme plädiert eine Mehrheit der Mitglieder des Gremiums dafür, einvernehmliche sexuelle Beziehungen bei volljährigen Geschwistern nicht mehr unter Strafe zu stellen. Die Experten argumentieren unter anderem, dass die Gefahr genetischer Schädigungen allein ein Verbot nicht rechtfertigen könne und das gesellschaftliche Tabu auch ohne Strafrechtsparagrafen bestehen bliebe.
Sexuelle Beziehungen zwischen Geschwistern oder Eltern und ihren Kindern sind in Deutschland nach dem Paragrafen 173 des Strafgesetzbuches verboten. Anlass für die Beschäftigung des Ethikrats mit dem Inzestverbot war der Fall eines Leipziger Geschwisterpaares. Bruder und Schwester waren nicht miteinander aufgewachsen, sondern hatten sich erst im Alter von 24 beziehungsweise 16 Jahren kennengelernt. Sie wurden ein Paar und bekamen vier Kinder.
Der ältere Bruder wurde wegen der sexuellen Beziehung zu seiner Schwester verurteilt. Die Schwester durfte nur das jüngste Kind behalten. Gegen seine Verurteilung hatte der Mann vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt. Beide Gerichte bestätigten letztlich das deutsche Inzestverbot.
Eine Mehrheit im Ethikrat, darunter die Vorsitzende Christiane Woopen, plädiert nun für die Aufhebung des Paragrafen. Die 14 Mitglieder sehen darin im Fall einvernehmlicher Beziehungen zwischen volljährigen Geschwistern eine nicht gerechtfertigten Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung.
Neun Mitglieder plädierten dagegen in einem Minderheitenvotum dafür, an dem Verbot festzuhalten. Sie verweisen dabei auf die Bedeutung der Rollen in einer Familie. Durch Inzestbeziehungen drohe eine Destabilisierung. Zwei Mitglieder des Ethikrats enthielten sich bei dem Votum.