"Es ist gut, der Ukraine aufzuzeigen, was schlimmstenfalls passieren kann", sagte Niebel der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe). Das Land solle "die Zeit und die Chance nutzen, zu den selbstgewählten Standards von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit und damit auf den Weg nach Europa zurückzukehren".
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), wies unterdessen den von der Ukraine gezogenen Vergleich mit dem Kalten Krieg zurück. "Die Ukraine ist offenbar verwirrt, wenn sie jetzt von Kaltem Krieg spricht", sagte Polenz der "Rheinischen Post". Auch der russische Präsident Dmitri Medwedew habe die Inhaftierung von Ex-Premierministerin Julia Timoschenkos als inakzeptabel bezeichnet. "Dann verliefe aus Sicht der Ukraine die Front in diesem Kalten Krieg also sowohl im Westen als auch im Osten", erklärte Polenz.
Grund für die Boykott-Aufrufe ist insbesondere der Umgang mit der inhaftierten Julia Timoschenko. Die Ex-Premierministerin war in einem umstrittenen Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Sie ist schwer erkrankt und verlangt eine Behandlung im Ausland, weil sie den ukrainischen Ärzten nicht traut. Nach eigenen Angaben wurde sie in der Haft misshandelt und befindet sich in einem Hungerstreik. Die Fußball-EM wird vom 8. Juni bis zum 1. Juli in der Ukraine und Polen ausgetragen. In der Ukraine sind 16 Partien geplant, darunter das Endspiel am 1. Juli in Kiew.
Deutsche Sportverbände, Menschenrechtler und Politiker verschiedener Parteien streiten über einen möglichen politischen Boykott der Spiele in der Ukraine. Amnesty International hält einen solchen Schritt für wenig sinnvoll. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), sagte, vor dem sportlichen Großereignis müsse "maximaler Druck" auf die Führung in Kiew aufgebaut werden.
Die ukrainische Regierung unter Präsidenten Viktor Janukowitsch warf Deutschland wegen der Boykott-Diskussion Methoden des Kalten Krieges vor. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, wies dies am Montag als Unterstellung scharf zurück. "Wenn die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dürfen wir nicht schweigen", sagte sie.