Auf der Couch haben Ost und West letztlich die gleichen menschlichen Probleme

Foto: iStockphoto/selimaksan
Auf der Couch haben Ost und West letztlich die gleichen menschlichen Probleme
Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall ticken Ost- und Westdeutsche nach Beobachtung des Hallenser Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz unterschiedlich.
16.09.2014
epd
Markus Geiler

Zwar seien die Differenzen zwischen Ost und West beim Sozialstatus nicht mehr so groß, sagte Maaz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Allerdings gebe es beispielsweise einen deutlich anderen Umgang mit Etiketten.

Bei dem Erfolgreicheren im Westen zähle immer noch mehr das Äußerliche. "Profan gesagt: Der ostdeutsche Erfolgreiche muss immer noch weniger Schlips tragen als sein westdeutsches Pendant", sagte Maaz. Bei den gesellschaftlich Abgehängten seien dagegen die Unterschiede kaum noch auszumachen: "Wem das Geld fehlt, der ist ähnlich frustriert oder verstimmt."

###mehr-artikel###

Auch in seiner psychoanalytischen Praxis seien die Unterschiede am Anfang ziemlich deutlich. Der Ostdeutsche sei schneller dabei, dass Leidvolle, die Schwierigkeiten, das Ängstliche zu benennen. Er stelle sich eher als Hilfsbedürftiger vor, sagte der Vorsitzende des Choriner Instituts für Tiefenpsychologie und psychosoziale Prävention.

Der Westdeutsche habe am Anfang noch viel mehr Fassade. "Dem fällt es schwerer, Hilfe anzunehmen oder überhaupt einzugestehen, dass er vielleicht etwas nicht so kann. Da spürt man die unterschiedliche Sozialisation." Im Osten seien die Menschen gar nicht schlecht beraten gewesen, wenn sie gesagt haben, "das kann ich nicht, das weiß ich nicht". Im Westen musste man immer so tun, als hätte man alles im Griff und sei bestens drauf.

"In der DDR zielte die Erziehung auf Anpassung: Es ging um das Kollektiv und um ja nicht so viel Individuelles, es galten Vorsicht und Zurückhaltung", sagte Maaz. "Im Westen ging es dagegen um Individualisierung. Da zählte der Stärke-Kult, das Sich-Behaupten, Sich-gut-verkaufen-können. Das sind zwei sehr entgegengesetzte Tendenzen", sagte der 71-jährige Psychoanalytiker. Wenn das aber in den Sitzungen geklärt sei, sehe er bei den eigentlichen menschlichen Problemen keinen Unterschied mehr.

Dass sich viele Ost- und Westdeutsche auch nach 25 Jahren noch fremd seien, überrasche ihn nicht, sagte Maaz. Es habe keine differenzierte Auseinandersetzung gegeben, welche Vor- und Nachteile die Menschen aus dem Osten und welche Vor- und Nachteile die Menschen aus dem Westen durch die jeweiligen sozialökonomischen Entwicklungen von DDR und Bundesrepublik hatten. "Es gab eigentlich nur die sehr billige primitive Einteilung - im Westen war alles besser und im Osten alles schlechter." Das Ganze gipfelte laut Maaz in der sehr kränkenden westlichen Einschätzung: Das politische System im Osten war schlecht, die Wirtschaft war schlecht - also können auch die Menschen nur schlecht sein.