Auf der Westplatte bei Danzig hat Polen an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren erinnert. An der zentralen Gedenkfeier am Montag nahm auch Bundespräsident Joachim Gauck teil. In seiner Rede gedachte er der polnischen Opfer deutscher Kriegsverbrechen. Zudem äußerte er sich besorgt über die aktuelle Krise in der Ukraine. "Wirklich in Frieden mit den Nachbarn leben nur Völker, die die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der anderen respektieren", sagte Gauck mit Blick auf die russische Militär-Intervention in der Ostukraine. Am Brandenburger Tor in Berlin riefen kirchliche Spitzenvertreter aus Anlass des Kriegsbeginns vor 75 Jahren zu Frieden und Versöhnung auf.
Gauck: Russland muss zum Völkerrecht zurückkehren
Das deutsche Staatsoberhaupt kündigte eine geschlossene Reaktion der Europäischen Union gegenüber Moskau an: "Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen", sagte er laut vorab verbreitetem Redemanuskript. Er forderte Russland auf, sich an internationales Völkerrecht zu halten. Die Grundlage für eine gute Partnerschaft und Nachbarschaft in Europa sei eine "Änderung der russischen Politik und eine Rückkehr zur Achtung der Prinzipien des Völkerrechts".
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Gauck sagte: "Die Geschichte lehrt uns, dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern." Zugleich könne jedoch durch unkontrollierte Eskalation eine Dynamik entstehen, "die sich irgendwann der Steuerung entzieht". Deutschland und die Europäische Union strebten daher nach einer deeskalierenden Außen- und Sicherheitspolitik.
Mit dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Erste Kampfhandlung war der Beschuss der Westerplatte durch die Deutschen. Der von SS-Leuten in polnischen Uniformen inszenierte Überfall auf den damaligen Reichssender Gleiwitz am Vorabend hatte dazu den Vorwand geliefert. Der Zweite Weltkrieg kostete mehr als 60 Millionen Menschen das Leben. Bezogen auf die Bevölkerung hatte keine Land so viele Opfer und Leidtragende zu beklagen wie Polen.
Kirchenrepräsentanten rufen zu Verantwortung für Frieden
Am Brandenburger Tor in Berlin gedachten Kirchenrepräsentanten aus aller Welt bei einem Friedensgebet des Kriegsbeginns. Im Anschluss feierten sie einen ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Marienkirche auf dem Alexanderplatz. Beteiligt waren Kirchenvertreter unter anderem aus Südkorea, Polen, Südafrika, USA, England und dem Nahen Osten. Eingeladen hatte das Berliner Missionswerk aus Anlass seines 190. Geburtstages.
Der Präsident des Lutherischen Weltbundes, der evangelische Bischof von Jerusalem, Munib Younan, rief bei dem Treffen die Kirchen weltweit dazu auf, Verantwortung für das palästinensische Volk zu übernehmen. Die Besetzung der Palästinensergebiete müsse endlich beendet werden, erklärte Bischof Younan. Die Zweistaatenlösung für Israel und Palästina müsse umgesetzt, das Flüchtlingsproblem endlich gelöst und die israelischen Siedlungen im Westjordanland aufgegeben werden. "Wir christlichen Palästinenser wollen Sicherheit für Israel - und Freiheit für Palästina", sagte Younan.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erinnerte im deutschen Bundestag an die Verfolgten und Vertriebenen weltweit. Nach den traumatischen Erlebnissen des Zweiten Weltkrieges wäre eine weltweite Ächtung militärischer Gewalt zur Durchsetzung politischer Interessen zu wünschen gewesen, sagte er zu Beginn der Sondersitzung zu den geplanten Waffenlieferungen an die Kurden im Irak. Tatsächlich mache man die bittere Erfahrung, dass weltweit Kriege geführt und Menschen verfolgt, terrorisiert und getötet werden.
In Bremen forderte der kirchliche Friedensbeauftragte Renke Brahms in einem Gedenkgottesdienst gewaltfreie Konfliktlösungen. Kein Konflikt dieser Erde könne mit Gewalt gelöst werden, sagte der Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Es sei bezeichnend, dass am 1. September im Bundestag über deutsche Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga debattiert werde. Das sei nicht nur Ausdruck einer verzweifelten Situation der Menschen im Irak und des grausamen Terrors der Gruppe "Islamischer Staat". "Das ist auch Ausdruck des Versagens der Politik und der internationalen Gemeinschaft."