Plötzlich alt, plötzlich fett, plötzlich Frau: Sat.1 hat ja schon allerlei Metamorphosen ausprobiert, um moralisch fragwürdigen Protagonisten zum charakterlichen Wandel zu verhelfen. In "Großer Mann ganz klein!" trifft es einen schnöseligen Spielzeugspezialisten (Stephan Luca), der ein kleines Stuttgarter Unternehmen vor der Pleite retten soll. Weil der arrogante Alex Kaiser dringend einen Denkzettel braucht, schrumpft ihn das Schicksal in Gestalt eines kleinwüchsigen Verkäufers auf Däumlingsgröße. Nun ist Sekretärin Ina (Felicitas Woll) seine letzte Hoffnung; ausgerechnet die Frau, die Alex gerade erst gefeuert hat. Aber weil es ja auch um die Rettung der Firma geht, lässt sich Ina erweichen; außerdem ändert auch die Miniaturisierung nichts daran, dass Alex ausgesprochen gut gebaut ist.
Glück von kurzer Dauer
Natürlich sorgt der optische Effekt für das Alleinstellungsmerkmal der Komödie, doch aber wie schon bei den anderen Beiträgen zu dieser losen Rollentauschreihe von Sat.1 ("Plötzlich fett" mit Diana Amft und Sebastian Ströbel, "Plötzlich 70!" mit Yvonne Catterfeld, "Die Frau in mir" mit Max von Pufendorf) ist er bloß Mittel zum romantischen Zweck; das Drehbuch von Michael Kenda hat weitaus mehr zu bieten als bloß "Plötzlich Däumling". Vermutlich war es letztlich auch eine Frage des Geldes, dass Regisseur Sebastian Vigg seine männliche Hauptfigur nicht noch öfter als Bonsai-Helden inszenieren konnte. Auf Inas Hand zum Beispiel ist Alex nie zu sehen, dafür um so öfter in ihrer aus seiner Sicht riesigen Handtasche neben einer überdimensionalen Kreditkarte und einem gigantischen Bleistift oder im Puppenhaus ihrer Tochter Johanna (Kim Luisa Grotz), das kurzerhand zu Alex’ neuem Heim umfunktioniert wird. In einer Produktion aus Hollywood hätte es unter Garantie auch eine Konfrontation mit Johannas Meerschweinchen gegeben.
Auch so aber hat der Film noch diverse witzige Momente zu bieten. Einmal wird Alex beinahe von einem Knödel erschlagen, und gegen Ende stürzt er sich todesmutig mit einem Minifallschirm vom Tisch. Entscheidender als diese Effekte ist ohnehin sein Sinneswandel: Als Alex erkennt, wie einsam er in Wirklichkeit ist, wird er wieder groß, doch weil ihn umgehend die alte Überheblichkeit überkommt, ist das Glück nur von kurzer Dauer. Originell ist auch Kendas Rahmenhandlung. Alex will die Firma mit Hilfe der neu entwickelten kriegerischen Spielzeugfigur Jack Stinger retten. Kleidung und Zubehör sind schon geschneidert, so dass er kurzerhand in Jacks Klamotten schlüpfen kann; später gehört zu des Kaisers neuen Kleidern allerdings auch mal ein Brautkleid. Aber der chinesische Investor, den er mit dem Kämpfer überzeugen will, schickt seine Frau, und die mag kein Kriegsspielzeug. Zum Glück schlummert in Ina ein ungeahntes Talent, und als Team sind die beiden sehr zum Ärger der intriganten Produktmanagerin (Sonja Kirchberger) unschlagbar.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zwischendurch gönnt Vigg seinen Protagonisten die eine oder andere Verschnaufpause, aber es gibt immer wieder Situationen, die für Verblüffung oder Heiterkeit sorgen; und als ein Dieb Ina ausgerechnet kurz vor der Präsentation des neuen Spielzeugs die Handtasche samt Alex klaut, wird der Film sogar spannend. Die Tricks sind ebenso überzeugend wie die Kadrierung, was in diesem Fall besonders wichtig war, denn der winzige Alex und die riesige Ina dürfen in den Dialogszenen ja nicht aneinander vorbei schauen. Noch entscheidender ist die Chemie zwischen Luca und Woll, die gut zusammenpassen. Gerade Luca macht zudem eine Menge aus den Freiheiten, die ihm die Figur bietet, und das nicht bloß, weil Alex beispielsweise in Inas Rosmarin pinkelt; auch mimisch darf er allerlei komödiantische Register ziehen.