Die EU-Kommission hat die US-Regierung aufgefordert, in den Verhandlungen über eine gemeinsame Freihandelszone mehr Transparenz zu erlauben. "Ich kann das nicht alleine tun", sagte der EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Dienstag vor dem Handelsausschuss des Europaparlaments in Brüssel.
Er habe mit dem US-Handelsbeauftragten Michael Froman vor einigen Tagen über die Problematik gesprochen, berichtete De Gucht. Unter anderem halte er es für sinnvoll, in den EU-Kommissionsvertretungen in den einzelnen Hauptstädten Leseräume zur Dokumenteneinsicht einzurichten. Bisher beharren die USA darauf, dass Regierungsvertreter der EU-Länder die Dokumente nur in US-Botschaften einsehen sollen.
"Es könnte mehr Fortschritte geben, wenn die Verfahren im Kapitol selbst sich ändern würden", unterstrich De Gucht. Allerdings sieht der Kommissar auch auf EU-Seite noch Spielraum für mehr Transparenz: "Es nicht ausgeschlossen, dass der EU-Ministerrat endlich einsieht, dass er das Verhandlungsmandat offenlegen sollte."
Die Undurchsichtigkeit ist einer der Haupt-Kritikpunkte an den Gesprächen über ein Freihandelsabkommen (TTIP), die seit einem Jahr laufen. Der Vertrag soll beiden Seiten mehr Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze bringen. Umwelt- und Verbraucherschützer in Europa befürchten allerdings, dass dies mit einer Aufweichung mühsam errungener Standards einhergehen könnte. Die 6. Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche war ohne konkrete Ergebnisse zuende gegangen.
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Die Europaabgeordnete Ska Keller (Grüne) kritisierte in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass es auch auf der europäischen Seite noch erhebliche Transparenz-Probleme gebe. Nur einige wenige EU-Parlamentarier dürften in den Leseraum im Europaparlament, sagte sie. Sie könnten dort keine Notizen oder Fotos machen und unterlägen später einer Geheimhaltungspflicht. Aus ihrer Fraktion habe nur ein einziger Fachpolitiker Zugang, berichtete Keller.
Der Europaabgeordnete Daniel Caspary (CDU) rief hingegen zu mehr Sachlichkeit auf. "Ich frage die Kritiker immer: Gibt es irgendetwas Inhaltliches, das Sie zu TTIP erfahren wollen und nicht erfahren können?", sagte der Handelsexperte dem epd. Die EU-Kommission informiere das Europaparlament und die Öffentlichkeit mehr als über alle bisherigen Handelsverträge. Er denke, dass das Abkommen den Verbraucherschutz in Europa mittelfristig weiter verbessern könne, sagte Caspary: "Die Standards in Amerika sind in der Regel nicht niedriger, sondern höher."
Unter besonderer öffentlicher Kritik steht derzeit das Thema Sonderklagerechte für Investoren - hier sind die Gespräche derzeit auf Eis gelegt. Die EU-Kommission ist damit beschäftigt, die Stellungnahmen von mehr als 100.000 Bürgern, Firmen und Verbänden zu der Thematik auszuwerten.
De Gucht zeigte sich vor den Europaparlamentariern unzufrieden mit dem Verlauf der öffentlichen Befragung: "Viele der eingegangenen Stellungnahmen sind identisch. Jemand hat hier unser System umgangen. Ich werde diese Stellungnahmen als eine einzige werten", kündigte er an.