Wenn Catherine Yannidakis-Hahne mit Freunden in Athen telefoniert, wird sie manchmal mit "Oh, die Frau Merkel" begrüßt. Die Düsseldorfer Lehrerin lacht gequält, als sie das erzählt. Ein Witz soll das sein, weil sie, die Ausgewanderte, dann "die Deutsche" ist. Aber es ist ein bitterer Witz. Die Kanzlerin ist zur Hassfigur in Griechenland geworden, für viele das Sinnbild des Spardiktats, das sie quält. Dann fängt Yannidakis-Hahne am Telefon an zu erklären, was die Deutschen machen und warum es wichtig ist, einander trotzdem zu verstehen.
Zu Hause in Düsseldorf dagegen hört sie oft Witze über nicht bezahlte Steuern - dann ist sie "die Griechin". "Es schlagen ja auch zwei Herzen in meiner Brust", sagt die 62-Jährige, die auch Vorsitzende der deutsch-griechischen Gesellschaft Düsseldorf ist. In ihre Schule gehen viele griechischstämmige Kinder, weil sie einen bilingualen Zweig hat. Sie sind oft die dritte Generation Gastarbeiterkinder - auch sie hören heute immer wieder Spöttisches auf dem Schulhof. (Foto links: epd-Bild/Hans-Jürgen Bauer)
"Mit den Älteren diskutiere ich die Hintergründe der Finanzkrise im Politikunterricht", sagt Yannidakis-Hahne. "Sie können etwas Inhaltliches entgegensetzen." Die Jüngeren seien überfordert, wenn es ihnen entgegenschreit, "sie" seien pleite und "wir" geben euch Geld.
"Die griechische Bevölkerung bekommt überhaupt kein Geld"
Griechen-Witze haben in Deutschland Hochkonjunktur. Internetdienste schlagen Mailanhänge für griechische Mitbürger vor: "PS.: Und mein Steuergeld überweis ich dir später", und aus dem Radio tönt es: "Was griecht man für 25 Milliarden Euro? 1,7 Milliarden Flaschen Ouzo." Die Tiefe des Niveaus ist unendlich, der Tenor ähnlich: faul, korrupt, Almosenempfänger. Dabei galten die rund 403.000 Griechen und Griechischstämmige immer als Vorzeigemigranten: angepasst und leistungsorientiert. Ihre Kinder machen statistisch gesehen häufiger Abitur als Deutsche, ihre Eltern kommen auf dem Arbeitsmarkt zurecht. Die Häme entspringt der Finanzkrise - und sie trifft.
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"Die griechische Bevölkerung bekommt überhaupt kein Geld - im Gegenteil: An ihren Gehältern und Renten wird gespart", sagt Ionnis Karassavidis. "In vielen deutschen Medien wird aber von der Griechen-Rettung und der Griechen-Krise gesprochen. Es geht um Bankenrettung, das wissen viele gar nicht." Der Physiotherapeut fühlt sich seit der Finanzkrise oft angegriffen in seiner Heimat Deutschland.
Seine Eltern kamen als Gastarbeiter hierher, um giftige Farben zu mischen wie sein Vater oder in einer Fabrik Rolllager zusammenzusetzen wie seine Mutter. Im Akkord. "Jetzt sollen alle faul sein", sagt der Frankfurter, der Vorsitzender des Vereins griechischer Wissenschaftler ist.
"Als sei Deutschland unser Herrscher"
Man müsse sich als Grieche rechtfertigen - ohne als Deutsch-Grieche überhaupt Einfluss auf die griechische Politik gehabt zu haben. Auch das Auftreten einiger deutscher Politiker empfindet er als herabwürdigend. "Pläne, wie die Akropolis oder die Inseln zu verkaufen, sind ein Schlag ins Gesicht. Als sei Deutschland unser Herrscher."
In Griechenland bildete eine Zeitung Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Nazi-Uniform ab, auch auf Demonstrationen tauchten ähnliche Bilder auf. "Es war eine unbedeutende griechische Zeitung", sagt Yannidikis-Hahne, der die Nazi-Vergleiche dennoch mehr Sorgen machen als die Steuer-Witze. Es würden Erinnerungen an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Griechenland wach und ins Jetzt transportiert. "Damals haben die Deutschen uns besetzt, jetzt bestimmen sie wieder über uns. Ein solches Bild kann sich sehr lange halten - und zu viel Hass führen."
"Als Deutsch-Griechen können wir viel für die Völkerverständigung tun", sagt Dimitrios Zachos, Betreiber der Web-Community Hellas.net mit 20.000 deutschen und griechischen Nutzern. "Griechenland wird jetzt oft ungerecht dargestellt", sagt Zachos. "Wenn jeder von uns hier zehn Deutsche aufklärt, haben wir fast alle überzeugt." Trotz Häme wandern seit der Krise wieder mehr Griechen nach Deutschland aus, meldete das Statistische Bundesamt im Dezember.