Die Bevölkerung habe die "bleibende Hoffnung", der Bundespräsident möge Werte repräsentieren und eine gewisse "Heiligkeit" der Institutionen verdeutlichen, sagte Graf am Dienstag im Deutschlandfunk. Dabei habe das höchste Staatsamt eine durchaus protestantische Geschichte, so Graf mit Blick auf die vielen Protestanten unter den bisherigen Bundespräsidenten.
Mit einer evangelischen Doppelspitze von Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trete die Tradition des ostdeutschen Protestantismus stärker in den Vordergrund, sagte Graf. Dennoch hätten die Katholiken in Berlin immer noch einen "sehr großen Einfluss". Die alte "Bonner Republik" galt seit dem ersten Kanzler Konrad Adenauer (1949-1963) als eher "rheinisch-katholisch" orientiert.
Erkennbare Unterschiede
Die beiden Protestanten an der Spitze des Staates seien allerdings höchst unterschiedlich, betonte Graf. Gauck habe eine sinnliche und "durchaus barocke Lebensart", er schätze die Vorzüge der freien Gesellschaft und genieße das Leben. Angela Merkel stamme aus dem Linksprotestantismus, ihr Vater sei freiwillig als Pfarrer in die DDR gegangen, um sich für eine bessere Welt zu engagieren. Sie stehe für Nüchternheit und Sachlichkeit.
"Das Reformationsjubiläum wirft seine Schatten voraus", sagte der Theologie- und Ethikprofessor weiter mit Blick auf die 500-Jahr-Feiern zur Kirchenreformation Martin Luther 2017. Die katholischen Funktionseliten täten sich schwer, die Bischöfe marginalisierten die Laien in der Kirche. Der deutsche Protestantismus habe ein engeres Verhältnis zur Aufklärung als die katholische Kirche.