"Im Himmel wird nicht gelacht", hört man immer wieder Menschen tönen, selbstsicher, unsicher. Aber auch der Autor Mark Twain hat das gesagt. Mit einem "Wie bitte? Ausgerechnet dort, wo wir die größte Heiterkeit erwarten!", zeigt sich der Schriftsteller Hellmuth Karasek empört. Fast etwas trotzig sagt er: "Im Himmel braucht man kein Lachen. Auf der Erde aber haben wir es bitter nötig." Karasek muss es wissen. Er stellt derzeit sein neues Buch vor: "Soll das ein Witz sein? Humor ist, wenn man trotzdem lacht". Dabei hat er eine Menge seit seiner Jugend gesammelter Witze im Gepäck, die er vollmundig im Frankfurter Domgespräch dem Auditorium zum Besten gibt.
Also, hat Gott nun Humor? Das Evangelium ist die frohe Botschaft, nicht die traurige. In der Bibel aber taucht das Wörtchen Humor, das Heiterkeit verspricht, nicht auf. Auch in der Kunst hat sich das Bild eines lachenden Christus nicht durchgesetzt. Zumal im Lauf der Geschichte die Menschen nicht müde werden zu sagen: Christen lachen nicht. Gelächter störe nur das Leben in der Stille im Kloster. Das zumindest hat Johannes Chrysostomos, der Goldmund, einer der östlichen Kirchenväter, vor vielen hunderten Jahren in einer Predigt behauptet. Prompt sollen die Menschen zu lachen angefangen und ihm zugerufen haben, dass sie Tränen sehen wollen. Humor ist ein umstrittenes Thema. Auf den Punkt brachte es der frühere Dominikanermönch und Satiriker Hans Conrad Zander: Hinter der religiösen Humorlosigkeit vermutet er die Furcht, dass allzu fröhliche Menschen vom Glauben abfallen und sich von der Kirche abwenden könnten.
Wer Humor hat, erkennt die Endlichkeit des Lebens an
Wer Humor besitzt, kann darüber lächeln, dass Wunsch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen. "Insofern hat Humor immer auch einen Bezug zur Endlichkeit und Begrenztheit alles Irdischen. Die Schöpfung ist eben nicht vollkommen, wäre sie es, wir bräuchten keinen Humor", schreibt Pfarrerin Henriette Crüwell in ihrem Aufsatz "Hat Gott Humor?" Sie ist sich gewiss, dass Humor alles andere als ein Zeit-Vertreib sei, sondern vielmehr die Anerkennung um Zeitlichkeit. Der humorvolle Mensch lache eben trotzdem. Er wisse um die Endlichkeit des Lebens und nehme sie entsprechend heiter und gelassen an. Derjenige aber, der nur seinen Spaß suche, tue sich damit schwer. Er lache zwar gern, aber nicht trotzdem. Er bekenne sich nicht zur Endlichkeit seines Lebens. "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", sagte auch schon der deutsche Schriftsteller Otto Julius Bierbaum.
Menschen können lachen und zwar herzlich laut. Da wir "nach seinem Bilde" geschaffen wurden, ließe sich der Rückschluss erahnen, dass Gott Humor hat. Oft wird humorvollen Menschen unterstellt, dass sie den Ernst des Lebens nicht sähen. Dabei gibt es Menschen, die alles sehr ernst nehmen, zuallererst sich selbst. "Für sie zählen nur Fakten und das, was sich errechnen lässt. Das Große ist groß, das Kleine klein. Schwarz ist schwarz und Weiß ist weiß. Es sind Menschen, denen oft eine zweite Ebene fehlt: ein Standpunkt außerhalb ihrer selbst und der kleinen Welt, in der sie leben. Die Fähigkeit, zu sich selbst und zu den Umständen des Lebens Abstand zu nehmen, um sich dazu verhalten zu können. Solcherart humorlose Menschen sind zutiefst unfreie Menschen. Gefangen im festen Griff der Realität. Es gibt nur die Wirklichkeit, in der sie leben", sagt Crüwell und erklärt: "Nicht ohne Grund spricht man vom tierischen Ernst. Für ein Tier zählt nur das Hier und Jetzt. Es hat kein Bewusstsein für Vergangenheit und Zukunft und kein Vermögen der Selbstdistanz."
Das Lachen der Götter
Religionswissenschaftler, welche die Humorkultur in der Religion untersucht haben, schlussfolgern, dass keine Religion gänzlich humorlos sei. Für die alten Griechen war das Lachen der Götter auf dem Olymp selbstverständlich. Auch Buddha lacht einem entgegen: Wer seinen Bauch reibt, soll angeblich Glück erfahren. Im Hinduismus wird Krishna als fröhlicher Gott dargestellt, der süße Leckereien nascht. Anders sieht es im Judentum, Christentum und Islam aus: Gott lacht nicht, noch wird er lächerlich gemacht, er wird überhaupt nicht bildlich dargestellt. Gott zeigt sich in der Bibel recht streng. Vom Gott des Alten Testaments hört man zwar gelegentlich ein Gelächter. Höhnisch lacht er über die, die sich selbst für die Herrscher der Welt halten. Henriette Crüwell stellt fest: Gottes Gelächter im Psalter richte sich gegen die Frevler, die spottend zusammensitzen. "Gott spottet also über die Spötter getreu dem Motto: 'Wer zuletzt lacht, lacht am besten!'"
Obgleich der Ausdruck "Humor" in der Heiligen Schrift nicht vorkommt, würde man das Buch der Bücher gründlich missverstehen, wolle man ihm deshalb Humorlosigkeit unterstellen, findet Henriette Crüwell. So ist es doch Humor, wenn beispielsweise Gott der Herr "herabfahren" muss, um den bis zum Himmel reichenden Turm in Babylon zu sehen. Im Mittelalter gab es mit dem "Osterlachen" jahrhunderte lang einen Brauch in den christlichen Kirchen im deutschen Sprachraum. Mit teilweise obszöner Pantomime und zweideutigen Geschichten entlockten Prediger den Menschen freudvolles, lauthalses Lachen angesichts Gottes Sieg über den Tod.
Isaak heißt "Er wird lachen"
Als Abraham und Sara, dem hochbetagten Ehepaar, die Geburt eines Sohnes angekündigt wird, lachte Sara und dachte: "Nun ich alt bin, soll ich noch der Liebe pflegen, und mein Herr ist auch alt!" Und weiter: "Gott hat mir ein Lachen zugerichet; denn wer es hören wird, der wird über mich lachen." Auch Abraham lachte: "Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen: Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden, und soll Sara, neunzig Jahre alt, gebären?" Das ist die vermutlich älteste Bibelstelle zum Thema Lachen. Pfarrerin Crüwell interpretiert sie so: "Sarah und Abraham lachen Gott aus. Sie können nicht glauben, was ihnen, den Uralten, verheißen wird. Aber Gott ist nicht verärgert über ihr Lachen, sondern er lacht mit. In Isaak lacht Gott über die menschliche Kleingläubigkeit. Diese Geschichte zeigt einen Gott, der selbst den lachenden Zweifel des Menschen aushält und ihn in ein glückliches Lachen der Freude verwandelt, in das er selbst einstimmt." Isaak heißt übersetzt übrigens nichts anderes als: "Er lachte" oder "er wird lachen".Der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel schlussfolgert in seinem Buch "Lachen Gottes und der Menschen": "Die göttliche Erfüllung der dem Menschen unerwarteten Möglichkeit führt zu einem befreienden Lachen des Menschen mit seinem Gott." Für Martin Luther war der Satan ein Geist der Traurigkeit und Gott hingegen der Geist der Freude. Nach dem Theologen Kar Barth gehört der freie Humor neben der tiefsten Demut zur Dankbarkeit des von Gott geehrten Menschen.
Der Mensch als Ebenbild Gottes ... mit verwuselten Haaren?
Pfarrerin Crüwell beschließt ihre Schrift mit den Worten: "Ich habe mich bemüht, Ihnen den Gedanken nahe zu bringen, dass Gott nicht nur Humor schenkt, sondern auch Humor hat … Wenn Ihnen diese These zu weit geht, sollten wir uns wenigstens darauf einigen, dass Gott Spaß genug versteht, uns zu erlauben, ihm Humor zuzuschreiben." Man wünscht sich einen humorvollen Gott. So tritt auch während des Domgesprächs mit Helmuth Karasek zum Thema "Hat Gott Humor?" ein Zuschauer ans Mikrofon und sagt, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen hat. Und wenn der Mensch sich frühmorgens nach dem Aufstehen noch mit Schlaf in den Augen und verwuselten Haaren im Spiegel selbst betrachtet, dann müsse Gott einfach Humor haben.
Hellmuth Karasek, der seit seiner Jugend Witze in allen Variationen sammelt, erzählt sie leidenschaftlich gern. Nachfolgend sei ein jüdischer Witz aus seinem Buch "Soll das ein Witz sein? Humor ist, wenn man trotzdem lacht" dargeboten, den er auch beim Frankfurter Domgespräch zum Thema: "Hat Gott Humor?" erzählt hat:
"Einen Tag vor seinem achtzehnten Geburtstag erklärt der Sohn seinem orthodoxen Vater, er habe sich entschlossen, zum Christentum überzutreten. Der Vater redet auf ihn ein, er könne doch den Glauben der Väter nicht verraten, an dem sie zweitausend Jahre in allen Schrecken und Verhängnissen festgehalten hätten und in denen sich Gott und ihr Verhältnis zu Gott bewährt hätte. Darauf der Sohn: 'Du wirst mich nicht davon abbringen. Ab morgen bin ich mündig, und ich bin fest entschlossen, zum Christentum überzutreten.' Spricht's und lässt den Vater allein. Der hadert mit Gott, und Gott erscheint ihm auch als Stimme und fragt: 'Was ist, Abraham?' Darauf erzählt ihm der Vater die Geschichte, dass sein Sohn unbedingt Christ werden wolle. Gott beschwichtigt ihn und sagt: ‚Sei ruhig, Abraham, das ist mir auch passiert.' 'Was?', sagt der Vater. ‚Das ist dir auch passiert? Und was hast du denn dann gemacht?' Darauf Gott: 'Was werd ich gemacht haben? Ein neues Testament!'
Das Publikum applaudiert und lacht. Nicht alle Menschen ertragen es, wenn man sich über ihren Glauben lustig macht. Hellmuth Karasek erzählt religiöse Witze trotzdem gerne. Als er den Witze-Abend beschließt, will der Moderator noch von ihm wissen: Hat Gott Humor? Karasek antwortet gelassen knapp: "Vielleicht braucht Gott Humor, wenn er sieht, was die Menschen mit seiner Schöpfung anrichten."