Der Alarm kam früh: Bereits vor Monaten warnten die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen vor einer drohenden Hungerkatastrophe in der Sahelzone, die Nordafrika vom Senegal bis Eritrea durchzieht. Doch ob die Hilfe diesmal ausreicht, ist noch offen. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP), die größte Nothilfeorganisation, sucht nach neuen Wegen.
"Es ist wahr, die internationale Gemeinschaft reagiert bei Katastrophen langsam", sagt der Leiter der WFP-Nothilfeabteilung, David Kaatrud. Dabei mangelt es nicht an Wissen. Die Frühwarnsysteme werden immer ausgefeilter: Das WFP etwa baut zugleich auf Informationen weltweiter und regionaler Organisationen über Wetter- und Klima-Entwicklungen wie auch der Bevölkerung vor Ort. Entsprechend hatte die Organisation schnell ein ausgefeiltes Bild der Lage und machte bereits im November auf die drohende Krise im Sahel aufmerksam.
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Die Organisation braucht Millionenbeträge, um Schlimmeres im Niger, in Mauretanien, Mali und im Tschad zu verhindern. Doch das Geld kommt bisher nur spärlich. Im Sahel soll eine Situation wie am Horn von Afrika in den vergangenen zwei Jahren vermieden werden: Dort verhungerten wegen des späten Eingreifens der Weltgemeinschaft Tausende Menschen, kritisieren die britischen Organisationen Oxfam und Save the Children.
90 Prozent der Gelder sind zweckgebunden
Warnungen vor einer Hungersnot hatte es schon im Sommer 2010 gegeben, doch die Hilfe lief erst ein knappes Jahr später richtig an. Viele Geldgeber reagierten erst, wenn sie "Beweise" für eine humanitäre Katastrophe hätten, sagen die Hilfsorganisationen.
Darunter leidet auch das Welternährungsprogramm. Für Kaatrud ist es ein Mix aus politischem Willen und "einer ganzen Reihe von bürokratischen Zwängen", die es insbesondere Regierungen so schwer mache, frühzeitig einzuspringen. Für das WFP ein großes Problem, denn ein festes Budget hat die Organisation nicht: "Alles, was wir haben, beruht auf dem guten Willen von Staaten und anderen Gebern."
Rund 90 Prozent des Geldes, das die UN-Organisation bekommt, ist zweckgebunden, erläutert der Leiter des Berliner WFP-Büros, Ralf Südhoff. Das heißt, es darf nicht anderweitig ausgegeben werden, selbst wenn eine Notsituation schneller als erwartet behoben werden kann und anderswo Katastrophen eintreten. Geber könnten auch "flexibel" spenden, glauben jedoch, dann weniger Kontrolle über das Geld zu haben.
Das WFP sucht die Fehler jedoch nicht allein bei den Spendern. Die UN-Organisation müsse bei Frühwarnungen "schneller und schärfer" werden, mahnt Kaatrud. Konkret heißt das, der WFP-Aufsichtsrat müsse "auf einem einzelnen Blatt Papier" kurz und überzeugend über die Lage informiert werden, die Koordination müsse besser werden. Zugleich setzt das WFP verstärkt auch auf andere Geber wie den Privatsektor und die Golfstaaten. Bisher sei das WFP mehr oder weniger von einem Dutzend Gebern abhängig gewesen, erklärt Kaatrud.
Schnellere Hilfe durch die Streckung von Ressourcen
Daneben versuche die Organisation, "Ressourcen zu strecken", um künftig schneller zu reagieren, sagt der Nothilfekoordinator. Nahrungsmittel würden gekauft, bevor die Geber einspringen, und in der Nähe von Regionen gelagert, die von Hunger bedroht sind. Das WFP setzt auch verstärkt auf Projekte, die die Bevölkerung "krisenfester" machen. Nordostuganda etwa sei in der Dürrezeit im vergangenen Jahr anders als viele Nachbarstaaten ohne Nahrungsmittelhilfe ausgekommen, weil die Maßnahmen im Vorfeld griffen, sagt Kaatrud.
Bilder wie aus dem vergangenen Sommer, als das WFP über eine Luftbrücke die Menschen in Somalia und in den Grenzgebieten in Kenia und Äthiopien versorgten, bringen zwar reichlich öffentliche Aufmerksamkeit. Kaatrud sieht das allerdings skeptisch: "Eine Luftbrücke ist auf eine Art ein Zeichen des Versagens", sagt er. Es ist die wohl teuerste Form der humanitären Hilfe. Sie ist oft die letzte Möglichkeit, den Menschen zu helfen - wenn es für den Weg zu Land oder zu Wasser zu spät ist.
Welthungerhilfe: Hungerkatastrophe im Sahel abwenden
Die Deutsche Welthungerhilfe drängt wegen der schweren Dürre in West- und Zentralafrika zu schnellem Handeln. "Wenn nicht bald etwas passiert, sieht es hier schlimm aus", sagte der Welthungerhilfe-Regionalkoordinator Willi Kohlmus in Mali dem Evangelischen Pressedienst (epd).
In vielen Dörfern in der trockenen Sahelzone seien die Getreidespeicher leer. Die Bauern begännen bereits, das Saatgut aufzuessen, schilderte Kohlmus die Lage vor Beratungen bei einem UN-Gipfel am Mittwoch in Rom. Im vergangenen Oktober seien bis zu 90 Prozent der Hirse- und Reisernte ausgefallen, die zweite Missernte in Folge. Die Hilfe müsse ausgeweitet werden.
"Es ist ganz klar, dass es hier zur Katastrophe kommt, wenn nicht rasch gehandelt wird", warnte Kohlmus, der die Nothilfe in den drei Ländern Mali, Burkina Faso und Niger koordiniert. Vier Millionen Menschen seien von Hunger bedroht. Bis Oktober könnten es 15 Millionen werden. "Die Zahlen steigen", sagte Kohlmus: "Wenn wir noch anderthalb oder zwei Monate warten, ist es zu spät."